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An den Tod
Wenns mir einst im Herzen modert, Wenn der Dichtkunst kühne Flammen Und der Liebe Brand verlodert, Tod, dann brich den Leib zusammen!
Brich ihn schnell, nicht langsam wühle, Deinen Sänger laß entschweben, Düngen nicht das Feld dem Leben Mit der Asche der Gefühle.
Herbstlied
Ja, ja, ihr lauten Raben Hoch in der kühlen Luft, 's geht wieder ans Begraben, Ihr flattert um die Gruft!
Die Wälder sind gestorben, Hier, dort ein leeres Nest; Die Wiesen sind verdorben; O kurzes Freudenfest!
Ich wandre hin und stiere In diese trübe Ruh, Ich bin allein und friere Und hör euch Raben zu.
Auch mir ist Herbst, und leiser Trag ich den Berg hinab Mein Bündel dürre Reiser, Die mir das Leben gab.
Einst sah ich Blüten prangen An meinem Reiserbund, Und schöne Lieder klangen Im Laub, das fiel zu Grund.
Die Bürde muß ich tragen Zum letzten Augenblick; Den Freunden nachzuklagen, Ist herbstliches Geschick.
Soll mit dem Rest ich geizen Und mit dem Reisig froh Mir meinen Winter heizen? Ihr Raben, meint ihr so?
Erinnerungen schärfen Mir nur des Winters Weh; Ich möchte lieber werfen Mein Bündel in den Schnee.
Der Hagestolz
Ich hab kein Weib, ich hab kein Kind In meiner öden Stube, Hier tönts nicht: "Guten Morgen!" lind, Hier tobt kein muntrer Bube.
Und auch kein treuer Hund mir naht, Mit schmeichelndem Gewedel; Der Rauch nur ist mein Kamerad, Und dort der Totenschädel.
In Ringlein blau der Rauch verweht; Des Hirnes leerer Tiegel Dort auf dem Schrank am Spiegel steht, Ein fortgesetzter Spiegel.
Ich habe weislich mir gepflanzt Den Freund auf die Kommode, Vor allzu heißem Wunsch verschanzt Hab ich mich mit dem Tode.
Den Rauch betrachtend, Rad an Rad, Und dort den bleichen Knochen, Hat noch ein dritter Kamerad Wildkalt in mir gesprochen:
Was ist es auch, was tut es auch, Daß Weib und Kind dir fehle, Bald wird ja doch, wie dieser Rauch, Verblasen deine Seele!
Die Schädelpfeif hat auch geraucht, Als drin das Leben brannte, Als noch der Raucher drein gehaucht, Der große Unbekannte.
Einst Wolken blies der alte Pan Aus diesen schlechten Scherben; Nun hat ers Pfeiflein abgetan, Die Menschen heißens Sterben.
Der Schädel dort, so häßlich itzt, So kahl und hohl zur Stunde, War einst, wer weiß, wie schön geschnitzt, Als Pan ihn hielt am Munde.
Das Bild am Kopf ist abgewischt; Wars dumm, wars ein gescheites, Es wird nicht wieder aufgefrischt, 's ist einerlei nun beides.
Und ob es Glück, ob Unglück hieß, Ob Kummer oder Segen, Was Pan hier in die Lüfte blies, Ist wenig dran gelegen.
Vom Rauche, den der Wind vertrieb, Vom Feuer, windverschlungen, Nichts als ein Bild erhalten blieb In Pans Erinnerungen. -
Das Lebensglück ist nicht geglückt, Die Menschen mirs zertraten, Nun will ich, in mich selbst gedrückt, Auch einen Hund entraten.
Wenn sie mich unbeweint zuletzt, Weib-, kinderlos, verscharren, Ich zünde meinen Knaster jetzt, Dem Rauche nachzustarren.
An den Frühling 1838
Lieber Frühling, sage mir, Denn du bist Prophet, Ob man auf dem Wege hier Einst zum Heile geht?
Mitten durch den grünen Hain, Ungestümer Hast, Frißt die Eisenbahn herein, Dir ein schlimmer Gast.
Bäume fallen links und rechts, Wo sie vorwärts bricht, Deines blühenden Geschlechts Schont die rauhe nicht.
Auch die Eiche wird gefällt, Die den frommen Schild Ihrem Feind entgegenhält, Das Marienbild.
Küsse deinen letzten Kuß, Frühling, süß und warm! Eiche und Maria muß Fort aus deinem Arm!
Pfeilgeschwind und schnurgerad, Nimmt der Wagen bald Blüt und Andacht unters Rad, Sausend durch den Wald.
Lieber Lenz, ich frage dich, Holt, wie er vertraut, Hier der Mensch die Freiheit sich, Die ersehnte Braut?
Lohnt ein schöner Freudenkranz Deine Opfer einst, Wenn du mit dem Sonnenglanz Über Freie scheinst?
Oder ist dies Wort ein Wahn, Und erjagen wir Nur auf unsrer Sturmesbahn Gold und Sinnengier?
Zieht der alte Fesselschmied Jetzt von Land zu Land, Hämmernd, schweißend Glied an Glied Unser Eisenband?
Braust dem Zug dein Segen zu, Wenns vorüberschnaubt? Oder, Frühling, schüttelst du Traurig einst dein Haupt?
Doch du lächelst freudenvoll Auf das Werk des Beils, Daß ich lieber glauben soll An die Bahn des Heils.
Amselruf und Finkenschlag Jubeln drein so laut, Daß ich lieber hoffen mag Die ersehnte Braut.
Prolog
Der Winter stand ein eiserner Tyrann, Nie lösend seine Faust, die festgeballte, Die eisig sich um Berg' und Täler krallte; Ihr Leben lag erstarrt in seinem Bann. Als frostbedeckt die Berg' und Tale ruhten, Gesellig drängte doch das Menschenleben In Lust und Spiel zusammen seine Gluten, Ließ Freudenfeste überm Tode schweben. Zum Tanz berauschend sangen helle Geigen, Die schöne Jugend drehte sich im Reigen, Nicht denkend an ein Scheiden und Vergehen, Sorglos, wie sich die Stern am Himmel drehen. Und übers blanke Feld des Eises glitten Mit Geißelknall und Schellenklang die Schlitten. So war es jüngst noch im Magyarenlande, Am segenüberhäuften Donaustrande. Wer hätte wohl in so beglückten Stunden Den Donnerschlag des Unglücks vorempfunden? Wer hörte damals in den Schlittenschellen Prophetisch grause Totenglöcklein gellen? Kein Tänzer ahnte dort beim Taumelfeste Im Wassersturme tanzende Paläste. Die Jubeltage waren bald verflogen, Die Freude senkte die erregten Wogen, Die Zeit des holden Frühlings war gekommen, Die alle Herzen spüren süß beklommen, Die Zeit, wo aus dem Eis die Knospen springen Und hell vom Liebesfest die Wälder klingen. O Frühling, alle Herzen harrten dein, Auf deine Lieder, deinen Sonnenschein; Wie schrecklich aber täuschtest du ihr Hoffen, Mit welchen Liedern hast du sie getroffen! Sturmläuten, Jammerruf und Hülfeschreien, Und Flutendonner, schlagend an die Wände, Sind diesmal, Frühling, deine Melodeien; Und deine Blumen sind gerungne Hände, Und rings verzweiflungsblasse Angesichter; Diesmal bist du gekommen als Vernichter! Danubius, der starke Riese, hat Schon längst gebuhlt um diese schöne Stadt; Der Riese hat an hellen Sommertagen Auf seiner breiten Brust ihr Bild getragen, Er trug ihr Bild gefaßt in Strahlenflimmer; Wie hat es doch so bang gezittert immer! Zu Winter hielt er einen festen Schlaf, Bis weckend ihn der Hauch des Frühlings traf. Urplötzlich ward vom Schlaf Danubius munter, Er springt nach seiner Braut mit offnen Armen, Sie jammert auf, er faßt sie ohn Erbarmen Und reißt sie jauchzend in sein Bett hinunter. Er brachte ihr, als reiche Morgengabe, Die wüsten Trümmer mit von manchem Grabe: Waldstämme, Dächer und zerrißne Mühlen Ließ er heran zu ihren Füßen spülen, Und Leichen rollt er, frische, längstversenkte, Die nun die Flut aus ihren Grüften drängte. Die Welle, die vordem so mild und zahm Als treue Magd ins Haus des Menschen kam, Die noch im Herbst als Müllerin geschaltet, Hat jetzt sich zur Hyäne umgestaltet, Sie wühlt hervor, was alte Gräber bergen, Und treibt heran die Wiegen mit den Särgen. Durch alle Schranken stürzen sich die Fluten, Sie steigen immer höher an die Wände, Und unaufhaltsam sieht der Mensch sein Ende, Wie seine Jahre schrumpfen zu Minuten. Dort auf die Dächer klettern die Bedrohten: So sammeln sich die Schwalben auf den Dächern, Enteilend ihren gastlichen Gemächern, Wenn übers Meer der Süden sie entboten. Es werden diese angstgetriebnen Seelen, Den Schwalben gleich, des Weges nicht verfehlen, Sie flüchten in die Heimat übers Meer, Von wannen aber keine Wiederkehr. Ein Schrei, ein Krach - und alles ist verschwunden - Nun todesstill - nie wird die Spur gefunden. Im Element verschwunden ohne Spur Ist hier der Menschen Werk und all ihr Glück, Als träumte wieder einmal die Natur In ihre wilde Jugend sich zurück. Fort ist die Stadt, die blühend sich geregt, Als hätte dürres Laub der Sturm verfegt; Die alten Steppen werden aufgefrischt, Wo eines edlen Volkes Freude stand, Als eine leere Tafel blieb das Land, Des Volkes Rechnung ist hinweggewischt. Und weinend wandeln auf der wüsten Heide, Dem stillen Grab von so viel Glück und Leide, Das Elend und der Kummer, eng verschlungen, Und spät verblutende Erinnerungen. Hier lernt das Herz erträumten Schmerz vergessen, Hat ihm ein Hauch des Schicksals weh getan; Wir lernen unsern kummervollen Wahn An dem furchtbar gediegnen Unglück messen. O haltet euer Herz an die gekettet, Die aus dem Sturm als Bettler sich gerettet! O gebt mit sanftem Wort und weichen Händen Dem Kummer Trost, dem Elend eure Spenden! Das ist ein böser Frühling für die Armen, Und unersetzlich ist, was er genommen; Doch eure Liebe wird dem Unglück frommen, Denn Balsam jeder Wunde ist Erbarmen. Die milden Gaben, eure Liebesboten, Sie heilen nicht die unheilbaren Schäden, Und nicht erwecken können sie die Toten; Doch können sie den großen Schmerz bereden, Daß er sich allgemach zur Wehmut mildre, Und daß er zur Verzweiflung nicht verwildre. Die Armen schauen mit verweinten Blicken, Gerührt, auf ihrem Schutt des Mitleids Blüte; Der Herzenshauch von euch wird sie erquicken; Der schönste Frühling ist die Herzensgüte!
Der schwarze See
Die Tannenberge rings den tiefen See umklammen Und schütten in den See die Schatten schwarz zusammen.
Der Himmel ist bedeckt mit dunklen Wetterlasten, Doch ruhig starrt das Rohr, und alle Lüfte rasten.
Sehr ernst ist hier die Welt und stumm in sich versunken, Als wär ihr letzter Laut im finstern See ertrunken.
Als wie ein Scheidegruß erscheint mir diese Stille, Ein stummes Lebewohl, ein düstrer letzter Wille.
Sehr ernst ist hier die Welt und mahnt, das Erdenweh, Des Herzens letzten Wunsch zu werfen in den See.
O Hoffnungen, hinab! zerrißne Traumgeflechte! O Liebe, süßer Schmerz der schlummerlosen Nächte!
Ihr habt mein Herz getäuscht; nicht heilen wird die Wunde, Doch hab ich noch die Kraft, zu stoßen euch zum Grunde. -
Der Wind wacht auf, ich seh ihn durchs Gewässer streichen; Will denn sein Hauch das Herz mir noch einmal erweichen?
Das Schilf am Ufer bebt und flüstert mir so bange, Im Winde bebt der Wald am steilen Uferhange.
Ich höre kommen dich, Natur! dein Mantel rauscht, Wie der Geliebten Kleid, wenn ich nach ihr gelauscht;
Willst du denn noch einmal an meinen Hals dich hängen? Ins Elend locken mich mit schmeichelnden Gesängen?
Es schwillt der Wind zum Sturm, es zucken Blitze wild, Den schwarzen See durchglüht ihr schnell verzitternd Bild;
Sie leuchten durch den See, wie aus beglückten Tagen Durch mein verfinstert Herz Erinnerungen jagen.
Sie rufen mir: O Tor! was hat dein Wahn beschlossen! Die Hoffnung kannst und sollst du in das Grab hier stoßen;
Doch willst in diesem See die Liebe du ertränken, So mußt du selber dich in seine Fluten senken!
Der Kranich
Stoppelfeld, die Wälder leer, Und es irrt der Wind verlassen, Weil kein Laub zu finden mehr, Rauschend seinen Gruß zu fassen.
Kranich scheidet von der Flur, Von der kühlen, lebensmüden, Freudig ruft ers, daß die Spur Er gefunden nach dem Süden.
Mitten durch den Herbstesfrost Schickt der Lenz aus fernen Landen Dem Zugvogel seinen Trost, Heimlich mit ihm einverstanden.
O wie mag dem Vogel sein, Wenn ihm durch das Nebeldüster Zückt ins Herz der warme Schein Und das ferne Waldgeflüster!
Hoch im Fluge übers Meer Stärket ihn der Duft der Auen; O wie süß empfindet er Ahndung, Sehnsucht und Vertrauen!
Nebel auf die Stoppeln taut; Dürr der Wald; - ich duld es gerne, Seit gegeben seinen Laut Kranich, wandernd in die Ferne.
Hab ich gleich, als ich so sacht Durch die Stoppeln hingeschritten, Aller Sensen auch gedacht, Die ins Leben mir geschnitten;
Hab ich gleich am dürren Strauch Andres Welk bedauern müssen, Als das Laub, vom Windeshauch Aufgewirbelt mir zu Füßen:
Aber ohne Gram und Groll Blick ich nach den Freudengrüften, Denn das Herz im Busen scholl, Wie der Vogel in den Lüften;
Ja, das Herz in meiner Brust Ist dem Kranich gleich geartet, Und ihm ist das Land bewußt, Wo mein Frühling mich erwartet.
Gutenberg
'Schon weht es kühler auf Erden; Es möchte Abend werden, Es möchte werden Nacht, Bevor durchrungen die Schlacht, Der Menschheit altes Gefecht Um Freiheit, Licht und Recht. Ich reiche beiden Heeren Beschleunigend Waffen und Wehren, Es soll ihr Letztes wagen Die Höll und werden erschlagen; Daß noch ein Stündlein Frieden Der Menschheit sei beschieden.'
So dachte der Genius, der die Menschheit führt, Als er die Stirne Gutenbergs berührt.
Die Poesie und ihre Störer
Im tiefen Walde ging die Poesie Die Pfade heilger Abgeschiedenheit, Da bricht ein lauter Schwarm herein und schreit Der Selbstversunknen zu: "Was suchst du hie? Laß doch die Blumen blühn, die Bäume rauschen, Und schwärme nicht unpraktisch weiche Klage, Denn mannhaftwehrhaft sind nunmehr die Tage, Du wirst dem Wald kein wirksam Lied entlauschen. Komm, komm mit uns, verding uns deine Kräfte; Wir wollen reich dir jeden Schritt bezahlen Mit blankgemünztem Lobe in Journalen, Heb dich zum weltbeglückenden Geschäfte! - Laß nicht dein Herz in Einsamkeit verdumpfen, Erwach aus Träumen, werde sozial, Weih dich dem Tatendrange zum Gemahl; Zur alten Jungfer wirst du sonst verschrumpfen!" Die Poesie dem Schwarm antwortend spricht: "Laßt mich! verdächtig ist mir euer Streben; Befreien wollt ihr das gejochte Leben Und gönnt sogar der Kunst die Freiheit nicht? Euch sank zu tief ins Aug die Nebelkappe, Wenn euer Blick nicht straßenüber sieht, Und wenn ihr heischt vom freigebornen Lied, Daß es dienstbar nur eure Gleise tappe. Ein Blumenantlitz hat noch nie gelogen, Und sichrer blüht es mir ins Herz die Kunde, Daß heilen wird der Menschheit tiefe Wunde, Als euer wirres Antlitz, wutverzogen. Prophetisch rauscht der Wald: die Welt wird freit! Er rauscht es lauter mir als eure Blätter, Mit all dem seelenlosen Wortgeschmetter, Mit all der matten Eisenfresserei. Wenn mirs beliebt, werd ich hier Blumen pflücken; Wenn mirs beliebt, werd ich von Freiheit singen; Doch nimmermehr laß ich von euch mich dingen!" Sie sprichts und kehrt dem rohen Schwarm den Rücken.
Anna
Nach einer schwedischen Sage
1
Anna steht in sich versunken, Blicket in den See hinein, Weidet, eigner Schönheit trunken, Sich an ihrem Widerschein.
Sie beginnt hinab zu reden: Wunderholde Jungfrau, sprich, Schönstes Bild im Lande Schweden, Bin ich du? und bist du ich?
Nein, o nein, ich glaub es nimmer, Wenn es auch die Welt mir schwört, Daß so heller Rosenschimmer Meinen Wangen angehört.
Dieser Mund, ist er der meine, Den dies süße Lächeln bricht? Seh ich doch, wie auch der deine Fragend mir entgegenspricht.
Liebes Wasser, sag, erzähle, Hast mein Auge du gemalt? Oder ist des Himmels Seele, Was dein Spiegel widerstrahlt?
Anna neigt vom grünen Strande Sich in ihres Bildes Näh, Streift vom Busen die Gewande, Läßt ihn leuchten in den See.
Nach dem Bilde niederhangend, Starrt sie zweifelnd und beglückt, Und das Bild, ihr nachverlangend, Starrt bewundernd und entzückt.
Fragt das Bild, im Wasser schwebend: Anna, hab ich dich erreicht? Fragt das Mädchen, freudig bebend: Bin ich schöner noch vielleicht?
In den seligen Gebärden, Die das Bild ihr abgelauscht, Sieht sich Anna schöner werden, Und die Jungfrau steht berauscht.
"Wenn so schön ich immer bliebe! Muß dies Bild denn auch vergehn?" Ruft sie, eitler Eigenliebe, Horch! die Winde sausend wehn!
Rauschend wird ihr Bild zertrümmert Im empörten Wellenschaum; Und das Mädchen sieht bekümmert Sich darin vergehn wie Traum.
Und im Walde knarrt es knickend, Und am Ufer schwankt das Rohr, Aus den Weiden, freundlich nickend, Huscht ein altes Weib hervor.
Alte spricht, und weint verstohlen: "Wie dein Bild im Wind zerfuhr, Würden deine Kinder holen Deiner Schönheit letzte Spur.
Denn die Schönheit ihrer Mutter Ist der Kinder liebster Fraß, Ist der Kinder feinstes Futter; Schöne Jungfrau, merk dir das!
Wag es nur und kehre wieder Nach dem ersten Wochenweh, Komm und spiegle deine Glieder Dann im peinlich klaren See.
Komm und schau dann mit Entsetzen Deine Brüste, junges Blut, Gleich gezognen Fischernetzen Zitternd schwimmen in der Flut.
O dann frage deinen Schatten: Wangen, seid ihr mein, so bleich? Augen mein, ihr hohlen, matten? Weinen wirst du in den Teich.
Kommt ein Mann, um dich zu freien, Eile du zu mir geschwind: Und ich will den Leib dir feien, Daß du nie empfängst ein Kind."
Anna spricht mit dunklen Schauern: "Wenn du mir zu helfen meinst, Daß die Schönheit mir mag dauern, Mütterlein, so komm ich einst."
2
Vor dem Fenster steht der Ritter Singt bei Nacht mit süßem Laut, Schlägt dazu die helle Zither: "Willst du heißen meine Braut?
Hab ein Schloß und finstre Wälder, Berge, hab ich, reich an Erz, Muntre Herden, goldne Felder, Und nach dir ein krankes Herz!
Schmücke dir mit Edelsteinen, Gold und Perlen Hals und Hand, Liebchen, schmücke dich mit meinen Narben aus dem heilgen Land.
Morgen wird die Sonne steigen; Strahlt herauf die Sonne klar, Soll sie meinen Wuchs dir zeigen Und dir leuchten zum Altar.
Hier an diesem Rosensprosse Häng ich dir mein Ringlein auf!" Sangs und schwang sich auf zu Rosse, Sprengt' davon im flüchtgen Lauf. -
"Willst du meinen Finger tauschen, Ringlein, mit dem Rosenreis?" Anna nimmts, die Hecken rauschen, Und im Dickicht naht es leis.
Schwarz verhangen Mond und Sterne Durch den Blütenstrauch herein Wiegt sich eine Blendlaterne, Wie Johanniskäferschein.
Freundlich nickend, bleich verdüstert, Steht das Mütterlein vom See, Weint verstohlen, und sie flüstert: "Schöne Jungfrau, weh dir, weh!
Von den Rosen hier empfangen Hast du's Ringlein, und es droht Bald den Rosen deiner Wangen Dieses Ringlein bleichen Tod.
Folge mir!" - Sie schreiten beide Weite Strecken stumm und sacht Über eine öde Heide In der stummen dunklen Nacht.
Und an einer Windmühl stille Hält das alte Zauberweib: "Bräutchen, ists dein fester Wille, Daß unfruchtbar sei dein Leib?
Willst?" - "Ich will es!" und sie schleichen Jetzt die Mühlentrepp empor, Feiernd stehn die Flügelspeichen, Taghell tritt der Mond hervor.
Braune Weizenkörner sieben Aus dem Sack die Alte greift, Und das Ringlein ihres Lieben Sie der Braut vom Finger streift.
"Wenn nicht meine Zauber wären", - Spricht das Mütterlein vom See, - "Würdest sieben du gebären In der schmerzenreichen Eh."
Durch das Ringlein wirft hinunter Sie ein Korn zum runden Stein: Plötzlich wird die Mühle munter, Brausend fällt ein Windstoß drein;
Und die Mühle mahlt im Winde, Schaudernd hört die junge Braut Leise, wie von einem Kinde, Wimmern einen kurzen Laut.
Drauf todstill in alle Weite, Anna hört ihr Herz allein, Und die Alte wirft das zweite Weizenkorn hinab zum Stein:
Wieder mahlt die Mühl im Winde, Schmerzend hört die junge Braut Leise, wie von einem Kinde, Wimmern einen kurzen Laut.
Alte wirft das dritte, vierte, Fünfte Korn, noch zwei hinein: Jedmal sich der Windstoß rührte, Und zerreibend lief der Stein.
Siebenmal hat es gewimmert, Hat ein Weh durchzuckt die Maid. Wieder Ruh - der Vollmond schimmert Nieder auf die stille Heid.
Mütterlein jetzt freudig kichert, Steckt das Ringlein ihr zurück: "Nie ergreift dich, bist gesichert, Jammervolles Mutterglück!"
Heim, zuvor den Morgenstunden, Eilt nun Anna, fürcht't sich schier; Schüchtern blickt sie um - verschwunden Ist die Alte hinter ihr.
3
Schautet ihr das Bräutchen schwärmen Auf der Heid im Mondenstrahl, Würdet ihr im Schloß nicht lärmen, Rüsten nicht das Hochzeitsmahl.
Dreier Tage galts ein Jagen, Scholl das Horn in Wald und Kluft, Mancher Keuler ward erschlagen, Vögel stürzten aus der Luft.
Und der Hirsch, der Stolz der Schluchten, Liegt mit zwanzig Enden kalt, Liegt, als hätt er auf den Fluchten Mitgerissen ein Stück Wald.
Denn zur Ehre seines Festes Rief der Ritter in den Forst: "Lieber Wald! heraus dein Bestes, Schönstes an Geweih und Borst!"
Früh am Morgen in dem Schlosse Werden hundert Gäste laut, Mit dem Ritter, hoch zu Rosse, Holen sie die schöne Braut.
Anna glänzt im Brautgeschmeide, Strahlt in Schönheit wunderbar, Daß das Volk aufschreit vor Freude, Wo vorüberzieht die Schar.
Kein so schönes Weib begegnet Heut der Sonne auf der Welt; Und der Priester, wie er segnet, Vor Erstaunen innehält.
Erich, dem zur Pflicht des Weibes Sie der Priester angetraut, In die Schönheit ihres Leibes, Seinen offnen Himmel, schaut.
Anna freut sich all des Glanzes, Ihres Ritters freut sie sich, Ihres grünen Myrtenkranzes, Ihrer selbst herzinniglich.
Bald beginnt ein festlich Schmausen, Geigenschall und Hörnerklang, Lebehoch! und Tanzesbrausen, Becherklirren, Spiel und Sang.
Aber als die Nacht gekommen: Dicht in ihres Ohres Näh Hört die schöne Braut, beklommen, Rauschen den bekannten See.
Trüb ihr alle Kerzen flimmern, Und die Luft wird ihr so schwül, Durchs Getös das leise Wimmern Hört sie von der Heidemühl.
4
Sieben Jahre sind verflossen, Spurlos wie die Flut ins Meer, Seit der Ehbund ward geschlossen, Heute ist die Jahreskehr.
Anna wird im Land besungen Als die allerschönste Frau; Sie empfängt die Huldigungen, Wie die Rose ihren Tau.
Keines von den süßen Liedern Mag ein Blick gerührter Huld, Mag ein süßes Wort erwidern; Anna trägt nur eine Schuld.
Oftmals bei geschloßnem Riegel Ist sie unbelauscht allein, Stürzt ihr Aug sich in den Spiegel, Schwelgt in ihrem Widerschein.
Gerne mag sich Anna zieren, Reich geschmückt am Spiegel stehn; Bis sie fühlt geheimes Frieren, Wenn sie lang hineingesehn.
Klirrt und rauscht dann Gold und Seide, Dünkt ihr oft, es werde wach Jener bange Laut der Heide, Der manchmal ihr wehte nach.
Anna ist so schön geblieben, Wie als Braut einst am Altar; Erich trauert, daß sein Lieben Und sein Leben unfruchtbar.
Schweigend reiten sie zum Schlosse Heim von einer Kindestauf; Als ihr leuchtender Genosse Zieht der volle Mond herauf.
Erich reitet in Gedanken Hinter seinem Weibe fort, Sieht des Waldes Schatten wanken Unstät wechselnd hier und dort.
Als sie weiter traben beide, In Gedanken, ohne Laut, Als sie kommen auf die Heide, Wo sie einst geirrt als Braut:
Sieht er ihres Pferdes Schatten Um die Reiterin verkürzt, Und das Bild erschreckt den Gatten, Ob sein Weib vom Roß gestürzt?
Nein, sie sitzt! "Gott sei uns gnädig!" Ruft er aus - "Verfluchtes Weib! Nur dein Roß, als ging' es ledig, Keinen Schatten wirft dein Leib!"
Aber Anna treibt den Zelter, Zitternd vor dem Mondenstrahl, Vor dem himmlischen Vergelter, Und dem zürnenden Gemahl.
Jetzo stürzt sie bang zu Füßen Ihrem Herrn im Schlafgemach, Sie bekennt in Tränengüssen, Flehend, was sie einst verbrach.
Schaudernd hörte er ihre Kunde; Süßer sonst als Blumenduft, Trifft der Hauch aus ihrem Munde Jetzo ihn wie Grabesluft.
Erich schaut im Mondenlichte, Leuchtend durch den Fensterspalt, Ihr frisch blühend Angesichte, Ihre bräutliche Gestalt.
"Unweib!" ruft er mit Entsetzen - "Wäre deine Schönheit hin! Mit den unterschlagnen Schätzen, Gräßliche Betrügerin!
Eile fort aus meiner Kammer! Eile fort aus meinem Haus! Fahre hin in Not und Jammer! Fluchend stoß ich dich hinaus!
Dir so wenig wird vergeben, Wie aus dieser Diele je Frische Rosen sich erheben! Weh, verfluchtes Weib, dir, weh!"
5
Anna liegt im Wald verlassen, Klagt den Bäumen nicht ihr Los; Schweigend drückt sie nur die nassen Augen in das weiche Moos.
Im Gebüsch der Winde Sausen Weckt der Reue wilden Schrei, Und des Baches Wellen brausen An der Sünderin vorbei.
Anna darf um Trost nicht lauschen Zur Natur im Trostgewand, Zwischen ihnen flatternd rauschen Hört sie das zerrißne Band.
Und die Menschen schaudernd kehren Ab das Herz von Annas Not; Ihre Buße nur zu nähren, Reichen sie das Bettelbrot.
Sieben Jahre sind es heute, Seit ihr Gatte sie verstieß, Seit sie, Reu und Kummers Beute, Klagend seine Burg verließ.
Heute sind es sieben Jahre, Daß sein Fluch sie fortgeschnellt, Daß sie mit gelöstem Haare Büßend weinte durch die Welt.
Mutterleid, das wonnereiche, Hat ihr Antlitz nie versehrt, Aber bis zur Totenbleiche Hat der Jammer es verheert.
Als sie aufblickt von der Erde, Naht im Strahl des Abendlichts Ihr ein Greis, mit Freundsgebärde, Mitleidvollen Angesichts.
"Anna, hebe dich vom Grunde! Komm, du hast genug geweint; Des Erbarmens milde Stunde Deinem Kummer auch erscheint.
Folge mir zur Waldkapelle!" Spricht der alte Eremit, Als des Abends letzte Helle Von den Wipfeln sich verzieht.
Dunkel wird es, dunkler immer, Kaum manchmal durch Baum und Strauch Zweifelt eines Sternes Flimmer, Stiller, kühler wird es auch.
Und sie wandeln und sie schweigen, Finster wird es ganz und gar, Auf des Walds gewundnen Steigen Leuchtet ihr sein weißes Haar.
In des Waldes tiefsten Schauern Kommen sie an die Kapell; Grabesstill sind ihre Mauern, Doch erleuchtet ist sie hell.
Zu der traurigsten der Frauen Spricht der Alte: "Tritt hinein! Die du drinnen wirst erschauen, Bitte, daß sie dir verzeihn!"
Anna zögernd und verzagend In die Waldkapelle tritt, Von den öden Wänden klagend Hallt zurück ihr scheuer Schritt.
Niemand hier; doch lispelnd nennen Ihren Namen hört sie klar; Sieben Kerzen sieht sie brennen Ohne Leuchter am Altar.
Hellen Schimmer auszuspenden, Hängt die Lampe ohne Schnur; Bilder haften an den Wänden, Dämmernde Umrisse nur.
Und die Staffeln abgebrochen Zum Altar; zerrißnes Tuch; Keine Messe wird gesprochen Aus dem unbeschriebnen Buch.
Sieben leichte Lichtgestalten Jetzt an ihr vorüberziehn Und mit stummem Händefalten Vor dem Altar niederknien.
Anna sich mit zitternd leisen Schritten den Gestalten naht: "Meine ungebornen Waisen! Ach, verzeiht ihr, was ich tat?
Grausam frevelnd ausgestoßen Hab ich euer keimend Herz, Von den Freuden ausgeschlossen, Von dem trauten Erdenschmerz!"
Und sie nicken, ihr vergebend, Lächelnd zugewandt, doch stumm; Und der Alte, näher schwebend, Schlingt die Arme ihr herum.
Anna sinkt zu Boden nieder, Ihr entgleiten Schmerz und Not, Und sie klagt und weint nicht wieder; Der Einsiedel war der Tod.
Und zur Stund ein sanftes Tosen Erich aus dem Schlafe weckt: Ha! er sieht mit frischen Rosen Seine Diele überdeckt.
Anna bleich und todeshager, Grüßend ihm vorüberging, Und sie legt ihm auf sein Lager Leise seinen goldnen Ring.
Als sein totes Weib dem Ritter Samt den Rosen wieder schwand Nimmt er die bestaubte Zither Endlich einmal von der Wand,
Und er singt ein Lied, das alte, Aber nicht im alten Laut, Wie es vor dem Fenster hallte Anna einst, der schönen Braut.
"Hab ein Schloß und finstre Wälder, Berge hab ich, reich an Erz, Muntre Herden, goldne Felder, Und nach dir ein krankes Herz!"
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