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Kuttel Daddeldu über Nobile (Juli 1928)
So große Kerle gingen tot. Gott weiß, was fern in höchster Not Noch heute kämpft, vom Eis umklammert, Für dieses Großmaul, das jetzt jammert Um seinen angequetschten Zeh.
Wann hat ein Captain je in See Als Erster seine Crew verlassen?! Dem möcht ich in die Kiemen fassen!
Ach, daß sie den gerettet haben! Er müßte, tief ins Eis gegraben, Mit einem Lorbeerstock im Hintern, Solang die Welt steht, überwintern.
Verflucht, ich kann nicht richtig beten, Doch hab ich eine solche Wut. Gott sei zu Amundsen recht gut. Und wenn mir Nobile begegnet, Will ich ihm das Gedärm zerkneten Und ihn und sein ihm teures Leben An andre Fäuste weitergeben, So, daß er Luft und Wasser segnet.
Begrüßung eines soeben Gelandeten
Ich wünsche dir Glück zum festen Boden. – War das dein erster Flug? – Ich glaube, du fährst am besten Das nächstemal mit dem Eisenbahnzug.
Ganz bleich sieht du aus. Und doch Bist du so lebhaft und aussprudelnd froh. Warst du unterwegs ebenso? Du zitterst ja noch.
Ja, die Luft hat keine Balken. Aber nun genieße du das Nun. Über Flügel denken Falken Anders wie ein Huhn.
Sind dir vier Wolkenstunden Zu langsam verronnen, Hast du die Erde nun wieder gefunden, Sie neu liebgewonnen.
Wer oben unzufrieden, Ängstlich oder auch krank war, Sei dann hienieden wenigstens dankbar.
Manila
Als ein altes Tau durch derbe, Doch verständniswarme Hände glitt, Sagte eine Stimme: »Bob, ich sterbe, Ehe Land in Sicht. Und du stirbst mit.«
Noch bevor die Stimme Antwort kriegte, Kämpften sie: Vollschiff gegen Orkan. Hatten oft gekämpft, bis eines siegte. Und das andre war dann abgetan.
Nur ein Treibstück wurde aufgefunden. Daran hingen kalt, ersoffen, blau Zwei alte Matrosen, angebunden Mit einem alten Tau.
Trostworte an einen Luftkranken
Recht so! Speie, lieber Mitgast, speie! Speie dreist und ungeniert und laut, Daß sich einmal andersrum befreie, Was für dich passée ist und verdaut.
Speie froh. Es wird dir polizeilich Und moralisch jederseits verziehn. – Ja, ich gebe zu: ich habe freilich Da leicht reden, weil ich nie gespien.
Und der Himmel möge auch verhüten, Daß es je geschieht. Ich stell mir bloß Vor, wie unten deine Tüten Landen in der Mutter Erde Schoß.
Andern Luft und Appetit verderben, Kann ein schadenfröhlich freier Sport Sein. Und niemand wird deswegen sterben. Denn der Magen ist wie ein Abort.
Schlechter Tag
Müde streichen meine Finger Über Runzeln, über Narben, Über graue Haare.
Prost, ihr Freunde, die in diesem Jahre Mir entstarben!– Bums!! Bums und klirr!! – Nun hab ich sozusagen Instinktiv Eine Fliege totgeschlagen. War es nicht, als ob sie Hilfe rief?!
Glas kaputt. So! Und jetzt löst mein vierter, Letzter Knopf sich scheu von Hose und Faden. Muß ich alles, alles ausbaden!? Ach, ich werde immer deprimierter.
Wenn doch eine Motte jetzt geflogen käme. Ach, ich würde sie zu Plüschsesseln einladen. Und noch Samt ihr hinlegen, Weil ich mich doch wegen Der Fliege so schäme.
Frucht-Zucht-Frucht
Bananen, Melonen, Ananas – –. Alle Früchte haben etwas – Frei gesagt: Unanständiges, Etwas Nuditätes an sich. Darüber freue ich mich. Denn das ist etwas Unbändiges. Instinktiv oder auch bewußt Haben wir alle daran unsre Lust.
Aber die darüber erschreckt sind, Sich entrüsten und jemand verklagen, Denen wollen wir andere sagen, Daß wir schon lang nicht mehr a. A. geleckt sind. Und das muß – wenn auch nur theoretisch – Immer mal wieder auf Erden geschehn. Sonst werden wir Mehlbrei und hyperästhetisch Und werden rot, wenn wir Pfirsiche sehn.
Deutsche Sommernacht
Wenn die Pfirsichpopos Sich im Sekt überschlagen. Und der Teufel legt los, Uns mit Mücken zu plagen. Und wir füllen einmal reichlich bloß Einem Armen Tasche und Magen.
Doch es blähn sich Männerbäuche. Tabakblau hängt sich an Sträuche. Wenn wir dann die Jacken ausziehn, Und ein Bratenduft poussiert Jasmin –
In das dunkle Umunsschweigen Senden zwei entfernte Geigen Schwesterliche Melodie. Uns durchglüht ein Urgedanke. Und es wechseln runde, schlanke Frauenbeine Knie um Knie.
Und auf einmal lacht die Runde, Weil ein Herr aus einem Hunde Hinten einen Faden nimmt.
Wenn dann wirklich alles, alles lacht, Dann ist jene seltne deutsche Nacht, Da mal alles stimmt.
Rheinkähne
Den Rhein durchgleiten die großen Kähne. Breit und flach. Es sitzen zwei Badehosen Auf dem hintersten Dach.
In diesen Hosen stecken Zwei Männer, nackt und braun. Die lieben das Tempo der Schnecken Und schimpfen auf ihre Fraun. Und mustern die fremden Weiber, Die strandlängs promeniern.
Glauben doch oft nackte Leiber, Daß sie an sich imponieren. Wie ausgetretene Schuhe Sind diese Kähne. Hat jeder Kahn Solch friedlich häusliche Ruhe, Hat keiner das Getue Der preußischen Eisenbahn.
In jedem Kinderwagen Am Strande rollt ein Kind. Keins dieser Kinder wird fragen, Was Schleppkähne sind.
Spielen Kinder doch...
Sahst du in der Bahn auf Reisen: Fährt dein Spiegelbild daneben Draußen heil durch Fels und Eisen? Was ist Schein und was ist Leben?
Wirrgespräch von Schizophrenen – ? Und der Wirrsinn deiner Träume – ? Warum suchen wir, ersehnen Unterschiede, Zwischenräume?
Nach dem Nichts, dem Garnichts schielen Alle, Freude, Gleichmut, Trauer. Aus dem Garnichts lockt ein Schauer So und so mit fremden Spielen.
Manchmal, zwischen trocknen Zeilen: Barmt es, winkt es oder lacht es. –
Spielen Kinder doch zuweilen Wundersames Selbsterdachtes.
Im Flughafen Oberwiesenfeld
Am Flugplatz vor der Restauration Sitzen wir morgens im Garten, Trinken Whisky und warten. – Ein Russe singt aus dem Grammophon.
Flugzeuge landen von Zeit zu Zeit Und jedes aus anderer Gegend. Ich höre, daß es in Bozen schneit Und daß es in Hamburg regnet.
Ich hab eine arktische Landschaft gemalt. Ein Herr hat das Bild gekauft und bezahlt, Und ich weiß, daß er darauf wartet. Wir setzen das Bild – als wär es ein Hauch – Ganz zart in eines Flugzeuges Bauch. Und nun: Dieses Flugzeug startet.
Flieg wohl, du Junkers, du stolzer, Mit meinem eiskalten Bild im Leib! Grüß Zürich, Hügin und dessen Weib Und euren Herrn Mittelholzer!
Freundschaft Erster Teil Es darf eine Freundschaft formell sein, Muß aber genau sein. Eine Freundschaft kann rauh sein, Aber muß hell sein.
Denn Allzusprödes versäumt oder verdirbt Viel. Weil manchmal der Partner ganz plötzlich stirbt.
Mehr möchte ich nicht darüber sagen. Denn ich sitze im Speisewagen Und fühle mich aus Freundschaft wohl Bei »Gedämpfter Ochsenhüfte mit Wirsingkohl«.
Freundschaft Zweiter Teil
Die Liebe sei ewiger Durst. Darauf müßte die Freundschaft bedacht sein. Und, etwa wie Leberwurst, Immer neu anders gemacht sein.
Damit man's nicht überkriegt. Wer einmal den Kanal Überfliegt, Merkt: Der ist so und so breit. Und das ändert sich kaum In menschlein-absehbarer Zeit. Wohl aber kann man dies Zwischenraum Schneller oder kürzer durchqueren. Wie? Das muß die Freundschaft uns lehren.
Ach, man sollte diesen allerhöchsten Schaft, Immer wieder einmal jünglingshaft Überschwenglich begießen. Eh' uns jener ausgeschlachtete Knochenmann dahinrafft.
Entomologische Liebe
Ein Käfer, den ich kenne, Die Goldhenne, Spritzt einen üblen Saft. Ich habe mir eine Betthenne – Nein, Bettpfanne angeschafft.
Nur zur eigenen Benützung, Nicht etwa zur Unterstützung Dieses Käfers, der bei Tag und Nacht Neben meinem Krankenlager steht Und sich freut, wenn es mir naß ergeht.
Eingefangen in ein Glasgebäude Lebt er. Ich verstehe seine Freude. Wenn er nie in Freiheit bei mir sitzt, So doch nur, weil er so übel spritzt.
Doch nachdem ich nun seit sieben Wochen Ihm durchs Glas so freundlich zugesprochen, Weiß er schon, daß ich ihn Goldfink nenne.
Wir sind Schicksalskameraden. Demnächst will ich meine Goldhenne Zu Bettpfannkuchen einladen.
Sonntagspublikum vor Bühnen
Sonntagskinder sind Arbeitsfreie, Ungewöhnte. – Der Künstler verzeihe Ihnen ihr fremdes Geschau. Sonntagskinder sind plötzliche Fürsten, Glücklich an Sonne, Dünnbier und Würsten. Sonntagskinder sind himmelblau.
Kommen erwartend, spaziergangsmüde, Niemals intolerant oder prüde, Aber immer um Jahre zurück; Merken es nicht, wenn die Rampenscheinwelt Sich auf ihre Müdigkeit einstellt, Schlafen sich nachtweg ins Wochentagsglück.
An die Masse
Ich halte zu euch, aber liebe euch nicht, Weil ihr das niemals versteht. Und ich liebe – ich liebe – – ich liebe euch doch, Weil ihr solcher Liebe entgeht.
Wenn ihr einmal Gelegenheit habt, Laut zu brüllen gegen Mauern, Dann schweige ich. Ich bin mehr begabt Als ihr. Und kann dann nur trauern.
Hundstagsgespräch
»Die Menschen sind Hunde Und sie müßten uns ›Menschen‹ nennen,« Sagte einer der Windhunde Nach dem ersten Rennen. »Wenn man Menschen falschen Hasen vorsetzt, Endet der dann auch in ihrem Magen. Aber was haben wir von dem Hasen zuletzt, Den sie vor uns herjagen?«
»Falscher Hase hin – falscher Hase her –« Sagte der zweite Windhund. »Ich bin schließlich doch kein Kind und Setze mich auf meine Art zur Wehr.«
»Wehr setzen – Wehr setzen –« Sagte der dritte Windhund. »Damit erreicht man nichts. Nein, Paßt auf, beim nächsten Falschenhasenhetzen Laufe ich zunächst geschwind und Bleibe plötzlich stehn und hebe ein Bein.«
»Bein heben oder Nichtbeinheben – Lasset uns wenigstens sportlich rein leben,« Sagte Hund Vier und unterbrach Sich und lief einer Hündin nach.
Der Mann, der meine Schuhe putzt
Der Mann, der meine Schuhe putzt Am Bahnhofsplatz, Hat abends, wenn er die Trambahn benutzt, Neben sich einen Schatz.
Wie gern würde ich diesem Kind Auch mal die Schuhe reinigen. Jedoch sie sagt: »Baron, Sie sind Ein dickes Schweinigen.«
Weil mir das Titelchen »Baron« Nicht zukommt noch mir nutzt, Gab ich heute großen Extralohn Dem Mann, der meine Schuhe putzt.
Offener Antrag auf der Straße
Ich habe einen Frisiersalon. Komm mit. Dort wollen wir knutschen. Ich wollte, ich wäre ein Malzbonbon Und du, du würdest mich lutschen.
Wir geben dem Lehrbub den Nachmittag frei Und schreiben »Geschlossen bis sieben«. Ich habe Rotwein im Laden und drei Dicke Roßhaarsäcke zum Lieben.
Ich werde dich unentgeltlich frisiern Und dir die Nägel beschneiden. Du brauchst dich gar nicht vor mir geniern, Denn ich mag dicke Fraun leiden.
Ich habe auch Schwarzbrot und Butter und Quark Und außerdem einen großen – – Donnerwetter sind deine Muskeln stark! Du, zeig mal: was hast du für Hosen?
Wenn du dann fortgehst, bedanke dich nicht, Sondern halt es mit meinem Freund Franke. Der sagt immer, wenn man vom lieben Gott spricht: »Wem's gut geht, der sagt nicht danke.«
Drei Tage Tirol
Ich bin nach Tirol gereist Und hab das Zuhause vergessen. Ich habe viel Freiheit gefressen Und viel Gesellschaft gespeist. Landschaften hab ich gesoffen Und Illusionen geraucht.
Die Menschen, die ich getroffen, Standen meist so zu den Sternen, Daß man, um sie kennenzulernen, Nicht erst zu verreisen braucht.
Das nennt man Drahtseilbahn: Es hing Ein Zündholzschächtelchen an Zwirn.
Und ein Gewitter kam. – Das ging Mir superior durch Herz und Hirn.
Wie tut ein wildes Wandern wohl, Wenn man sein Einsamgehn durchleuchtet!
An allen Stellen angefeuchtet Kam ich nach Hause aus Tirol.
Aus der Kundenkunde
Die Kunden kommen und gehn, Großeltern, Eltern und Kind. Doch wenn es schlimme sind, Dann bleiben sie lange stehn; Die Sekundenkunden Sind noch nicht erfunden.
Die Kunden kaufen und zahlen, Doch manche wollen nur Waren besehn, Sich orientieren. Man nennt sie »Sehleute« und »Orientalen«; Der fleißige Kaufmann kennt sie.
Es stottern und feilschen die Kunden Und schwatzen und lassen sich stunden. Und stehlen sogar. Dagegen stiehlt nie Die aristokratische Kleptomanie.
Der lockere Kunde von Beruf Hat meistens einen Pferdehuf.
Wer seinen Kunden kündigt Und meint, es ginge so: allein, Selber sein eigener Kunde zu sein, Der wird leicht vom Schicksal entmündigt.
Geld allein
Wie gut, daß alle einander nicht gleichen. Wie recht, daß manche es erreichen, Daß sie eines Tages reich sind. Wie gut, daß auch diese einander nicht gleich sind.
Schlechte Menschen ohne Geist, ohne Geschmack, Wenn sie noch so reich sind, bleiben nur Pack.
Die Fliege im Flugzeug
Ich war der einzige Passagier Und hatte – nur zum Spaße – Eine lebende Fliege bei mir In einem Einmachglase.
Ich öffnete das Einmachglas. Die Fliege schwirrte aus und saß Plötzlich auf meiner Nase Und rieb sich die Vorderpfoten. Das verletzte mich. Ich pustete. Sie setzte sich Auf das Schildchen »Rauchen verboten«.
Ich sah: der Höhenzeiger wies Auf tausend Meter. Ha! Ich stieß Das Fenster auf und dachte An Noahs Archentaube. Die Fliege aber – ich glaube, Sie lachte. Und hängte sich an das Verdeck Und klebte sehr viel Fliegendreck Um sich herum, im Kreise, Unmenschlicherweise.
Und als es dann zur Landung ging, Unser Propeller verstummte, Da plusterte das Fliegending Sich fröhlich auf und summte.
Gott weiß, was in mir vorging, Als solches mir durchs Ohr ging. Ich weiß nur noch, ich brummte Was vor mich hin. So ungefähr: Ach, daß ich eine Fliege wär.
An einen Glasmaler
Ja, du weißt: Es richten deine Farben sich nach jedem Scheine, Immer nur nach andrer Meinung, Kläglich mild Bis kitschig wild, Durch sich selbst niemals Erscheinung.
Dein Genie erwählt mit großem Blicke aus Charakterlosem Teile klug sich zu Organen. Untertanen, Die du streng wie innig meisterst Und für deinen Dienst begeisterst: Aus dem Licht, das unser Leben Stimmt, Einleuchtendes zu geben.
Wie's gelingt, verwandeln deine Künste Glas in Edelsteine.
Schöne Frauen mit schönen Katzen Schöne Fraun und Katzen pflegen Häufig Freundschaft, wenn sie gleich sind, Weil sie weich sind Und mit Grazie sich bewegen.
Weil sie leise sich verstehen, Weil sie selber leise gehen, Alles Plumpe oder Laute Fliehen und als wohlgebaute Wesen stets ein schönes Bild sind.
Unter sich sind sie Vertraute, Sie, die sonst unzähmbar wild sind.
Fell wie Samt und Haar wie Seide. Allverwöhnt. – Man meint, daß beide Sich nach nichts, als danach sehnen, Sich auf Sofas schön zu dehnen.
Schöne Fraun mit schönen Katzen, Wem von ihnen man dann schmeichelt, Wen von ihnen man gar streichelt, Stets riskiert man, daß sie kratzen.
Denn sie haben meistens Mucken, Die zuletzt uns andre jucken. Weiß man recht, ob sie im Hellen Echt sind oder sich verstellen?
Weiß man, wenn sie tief sich ducken, Ob das nicht zum Sprung geschieht? Aber abends, nachts, im Dunkeln, Wenn dann ihre Augen funkeln, Weiß man alles oder flieht Vor den Funken, die sie stieben.
Doch man soll nicht Fraun, die ihre Schönen Katzen wirklich lieben, Menschen überhaupt, die Tiere Lieben, dieserhalb verdammen.
Sind Verliebte auch wie Flammen, Zu- und ineinander passend, Alles Fremde aber hassend.
Ob sie anders oder so sind, Ob sie männlich, feminin sind, Ob sie traurig oder froh sind, Aus Madrid oder Berlin sind, Ob sie schwarz, ob gelb, ob grau, –
Auch wer weder Katz noch Frau Schätzt, wird Katzen gern mit Frauen, Wenn sie beide schön sind, schauen.
Doch begegnen Ringelnatzen Häßlich alte Fraun mit Katzen, Geht er schnell drei Schritt zurück. Denn er sagt: Das bringt kein Glück.
Bürger, den ich meine
Tanzunterricht bis Stammtischbier. Solch Bürger ist behütet. Der Bürger ist kein Säugetier. Der Bürger ist gebrütet.
Doch was ich hiermit Bürger nenn, Sind satte Mittelpunkte. Wie die sich wohl benähmen, wenn Man sie in Eiweiß tunkte.
Und glaubte doch es überwunden
Warum hast du mich ins Gesicht Geschlagen? Und ich konnte nicht Mich wehren, noch etwas sagen.
Warum hat ein Augenblick So roh unsre ganze Heimlichkeit zertrümmert? Konntest du denn danach irgendwo Glücklich sein und unbekümmert?
Fandest du nie später jenen Mut, Frei mir neu zu nahn?
Was uns jemals weh getan, Ach wie bald war's wieder gut. Aber was wir andern Wehes taten, — — — — ? — ! Es ist leicht und ehrlich, wenn ich sag: Lebe wohl! Gut Nacht! und Guten Tag! – Auch im Kriege sprachen so Soldaten.
Du und die Nacht
Gib du dem Tag, was aus dir will. Die Nacht ist still. Auch wenn in einem Nachtlokal Du welche Leute, die Skandal Begeistert, siehst. Nicht, daß du fliehst! Auch wenn ein Raufbold dich berennt, Oder ein blöder Korps-Student Mit Gott – dem's einfiel, dort zu wandeln – Will anbandeln.
Dieweil das Meiste schläft, baut aus Gestirnen Sich Unkenmärchenhaftes. Gruslig schiebt Schlechtes Gewissen seine Heimlichkeiten, Und Hirne dampfen über Nachtarbeiten. Dieweil die Stille dürstend Weisheit siebt, Schwelgt Animalisches, und Sehnsucht liebt.
Gib du der Nacht, was dir der Tag vergibt.
Gruß an Junkers
Ich kenne den Herrn Junkers nicht. Mag es auch schmeichlerisch klingen, Ich widme ihm dennoch dies Gedicht, Beschwingt von seinen Schwingen.
Aus meiner Laune steigt es frei, Entflogen, nicht entwachsen. Es reimt sich Kriecher- und Fliegerei Nicht einmal gut in Sachsen.
Ich bin mit Junkers' Maschinen schon Oft über die Lande geflogen, Hab meinen Tages und Wochenlohn Darüber oft weit überzogen,
Sprach immer zu mir zuvor: »Überleg's Dir!« – Aber flog doch aufgehimmelt Durch Wetter und Wolken. Und fand unterwegs Ein Glück, das unten verschimmelt.
Ich stehe nun – scheint's mir – auf gleichem Fuß Mit den Möwen, Adlern und Schwalben. Ich sende Herrn Junkers meinen Gruß Und komme ihm zweimal einen Halben.
Blues
Wenn du nicht froh kannst denken, Obwohl nichts Hartes dich bedrückt, Sollst du ein Blümchen verschenken Aufs Geratewohl von dir gepflückt.
Irgendein staubiger, gelber, – Sei's Hahnenfuß – vom Wegesrand. Und schenke das Blümchen dir selber Aus linker Hand an die rechte Hand.
Und mache dir eine Verbeugung Im Spiegel und sage: »Du, Ich bin der Überzeugung, Dir setzt man einzig schrecklich zu. Wie wär's, wenn du jetzt mal sachlich Fleißig einfach arbeiten tätst? Später prahle nicht und jetzt lach nicht, Daß du nicht in Übermut gerätst.«
Mein Wannenbad
Es muß wieder mal sein. Also: Ich steige hinein In zirka zwei Kubikmeter See. Bis übern Bauch tut es weh. Das Hähnchen plätschert in schamlosem Ton, Ich atme und schnupfe den Fichtenozon, Beobachte, wie die Strömung läuft, Wie dann clam, langsam mein Schwamm sich besäuft. Und ich ersäufe, um allen Dürsten Gerecht zu werden, verschiedene Bürsten. Ich seife, schrubbe, ich spüle froh. Ich suche auf Ausguck Vergebens nach einem ertrinkenden Floh, Doch fort ist der Hausjuck. Ich lehne mich weit und tief zurück, Genieße schaukelndes Möwenglück. Da taucht aus der blinkenden Fläche, wie Eine Robinsoninsel, plötzlich ein Knie; Dann – massig – mein Bauch – eines Walfisches Speck. Und nun auf Wellen (nach meinem Belieben Herangezogen, davongetrieben), Als Wogenschaum spielt mein eigenster Dreck Und da auf dem Gipfel neptunischer Lust, Klebt sich der Waschlappen mir an die Brust. Brust, Wanne und Wände möchten zerspringen, Denn ich beginne nun, dröhnend zu singen Die allerschwersten Opernkaliber. Das Thermometer steigt über Fieber, Das Feuer braust, und der Ofen glüht, Aber ich bin schon so abgebrüht, Daß mich gelegentlich Explosionen – – Wenn's an mir vorbeigeht – – Erfreun, weil manchmal dabei was entzweigeht, Was Leute betrifft, die unter mir wohnen. Ich lasse an verschiedenen Stellen Nach meinem Wunsch flinke Bläschen entquellen, Erhebe mich mannhaft ins Duschengebraus. Ich bück mich. Der Stöpsel rülpst sich hinaus, Und während die Fluten sich gurgelnd verschlürfen, Spannt mich das Bewußtsein wie himmlischer Zauber, Mich überall heute zeigen zu dürfen, Denn ich bin sauber. –
Humorvolle Spinner
Spinnete Köpfe, gescheit und begabt, Weil ihr einen Pieps, einen Vogel habt, Verlachen euch manche und meiden Euch. Ich mag euch leiden.
Ein Piepvogel lebt so hoch und frei Über den Filzlatschen der Spießer.
Der Spießer meint: Ein Bandwurm sei Kein stiller Genießer.
Doch Spießermeinung ist nicht mal so wichtig Wie das, was aus Piepvogel fällt.
Nur der, der im Kopf nicht ganz richtig Ist, lebt sich und unterhält.
Wohlgemeint an Biedermann
Geh doch einmal ins Gegenteil Und laß dich etwas kitzeln! Wir sind oft unbefriedigt, weil Wir übersicher witzeln.
Wir ziehen satt in geregeltem Trott Auf Wegen, die scheinbar nie krumm gehn, Eine bröcklige Gipsbüste von Gott, Nach der wir uns gar nicht mehr umsehn.
Ich sage »wir« und ich meine dabei »Gut mittelbeamtlich erzogen« Im Sinne von Kirche, Staat, Polizei. Alles andre ist ja erlogen.
Ach reise doch mal nach Andrerseits Und freue dich mit Verdammten, Wär's nur an einem »Beinespreiz« Für die mittleren Beamten.
Chemnitzer Bußtag 1928
Ich aber ging zum Tambour hin, Weil ich nicht gern im Trüben bin, Und weil im Tambour Lou verkehrt Und immer vieler Männer harrt. Und dennoch ist die Lou apart Und wird von mir verehrt.
Die Lou hat hoch im Hinterbein Flecken, die biß ein junger Fratz von Kollegin ihr hinein, Aus Liebe nicht, aus Hunger.
Wenn ich nicht mehr in Chemnitz bin, Geht ihr einmal zum Tambour hin Und schaut nach meiner Lou! Doch wer mir diese Lou verführt, Behandle sie, wie's ihr gebührt Und zahle zehn Mark zu.
Trennung von einer Sächsin 1928
Ich kann dir alles verzeihn. Aber du mußt mir die Freiheit lassen, Mich nicht mehr mit dir zu befassen. Sächsische Quengelein, Auch wenn man ihrer nur träumt, Sind etwas, womit man die Zeit versäumt.
Du hast viel warmes Gemüt Und lügst oft aus Höflichkeit. Und auf diesem Boden blüht Und gedeiht die Geschmacklosigkeit.
Ich weiß das genau. Denn ich bin In Sachsen erwachsen. Das zu verschweigen Oder deswegen mokant sich zu zeigen, Hätte nicht – – oder nur sächsischen Sinn.
Ich kann deiner Falschheit nicht trauen. Geh jetzt zur Ruh! Blondhaarig mit schwarzen Brauen, So schönes Mädchen du!
Aussichten sind unendlich weit. Aber Sächsisch in dieser Zeit, Eins, Neun, Zwo, Acht – – – Gute Nacht.
Als sie dann traurig ging, Ward mir so bang und kalt. Gab ich ihr keinen Halt. Armes Ding!
Platzmusik in Stuttgart (1928)
Das ist ein froher Sonntagsblick: Stuttgart, Studenten, Platzmusik.
Da stehen sie in Grüppchen Nach Kopfbedeckung, grün, rot, blau Und löffeln sich ihr Süppchen Und wissen alle nichts genau.
Warum wird nicht gesungen, Warum wird nicht marschiert zum Takt Der Zeitmiliz, die alles packt?
Es bummeln diese Jungen Vorbei, ein wachsendes Geschlecht, Von keinem Zwang gezwungen. Sie haben recht.
Der Platz ist schön. Der Platz ist weit. Ein Sonntagsvolksgewimmel Hat seine eigene Einigkeit Und einen offiziellen Himmel.
An meine Herberge in Stuttgart (1928)
Ihr habt mich reich und leise Verwöhnt. Das mir geschenkte Glück – In irgendwelcher Weise Kehrt es gewiß zu euch zurück.
Wie ich Meinzeit durchhetze, Geb ich euch keine Dankbarkeit. Doch wirken sich Gesetze Des Lebens aus in jeder Zeit.
Laßt lachen uns beim Scheiden. Im Lachen zeigt sich Herz und Geist. Ich mag euch ehrlich leiden, Wär ich auch noch so weit verreist.
Der letzte Tag vergangnen Jahrs
Ich ging auf Abenteuer Durch finsteres Gassengewirr. Ein Fenster in schiefem Gemäuer. Inseits ein leises Geklirr Und ein kleines, bläuliches Feuer. – Durchaus ganz geheuer: Feuerzangen Bowle. Bin weitergegangen.
Das Eckhaus ist ein Bordell, Die ganze Stadt weiß es. Ich ging ganz langsam, nicht schnell, Wegen des Glatteises Hin und hinein. Da saß unterm Christbaum allein Ein magerer Zuhälter. Er konnte siebzig, auch älter, Er konnte auch Lebegreis sein.
Wir wechselten falsche Namen, Und weil gar keine Damen Da waren, sangen wir traurig ein Lied, Seltsam war die Stimme des Greises. Ich schied, Schlich langsam wegen des Glatteises. Das glättste von allen Wintern, Die je ich erlebt. Kein Sand gestreut. Man geht – sitzt auf dem Hintern, Hat nichts gebrochen – erhebt Sich wieder – und sitzt erneut.
Quer übern Weg plötzlich lief Eine Katze. Also: ich trat Schnell drei Schritt zurück. Da rief Hinter mir »Au!« ein Marinesoldat.
Wir gestanden als Wasserratten, Was wir zuvor schon getrunken hatten. Wir haben uns an-ahoit. Kein Sand war gestreut. Wir lagen. – Was soll ich lange noch sagen – Liefen, lagen, liefen –.
Und riefen Die Damen herunter, wollten was tun, Wildes, wie Stierkampf oder Taifun. Doch wir entschliefen Ohne Weiber unter dem Baum. Der Lebezuhälter Pfiff rückwärts im Traum.
Der nächste Tag war viel kälter.
Silvester
Es gibt bei Armen und Reichen So manche Herzen bang und still; Aus manchem dieser Herzen will Die Sorge nimmer weichen.
Ich bin einer neuen Idee auf der Spur Und überlege sie sehr: Man sollte armen Leuten nur Gutes tun oder sagen, Ohne vorher oder hinterher Nach ihnen zu fragen.
Wer hat das wohl zuerst bestellt, Was nun so glatt sich leiert: Daß jeder Stand und alle Welt Terminlich trauert und feiert.
So wünschlein-pünschlein den andern gleich Will ich mich nüchtern betrinken, Um gegen Morgen durchs Federweich In Kaktusträume zu sinken.
Etwa: Daß eine Mutschekuh, Die vollgefressen mit Heu war, Mein Zimmer betrat und rief mir zu: »Prost Neujahr, Herr Doktor, prost Neujahr!«
Lebhafte Winterstraße
Es gehen Menschen vor mir hin Und gehen mir vorbei, und keiner Davon ist so, wie ich es bin. Es blickt ein jedes so nach seiner Gegebenen Art in seine Welt.
Wer hat die Menschen so entstellt??
Ich sehe sie getrieben treiben. Warum sie wohl nie stehenbleiben, Zu sehen, was nach ihnen sieht? Warum der Mensch vorm Menschen flieht? Und eine weiße Weite Schnee Verdreckt sich unter ihren Füßen. So viele Menschen. Mir ist weh: Keinen von ihnen darf ich grüßen.
Stille Winterstraße
Es heben sich vernebelt braun Die Berge aus dem klaren Weiß, Und aus dem Weiß ragt braun ein Zaun, Steht eine Stange wie ein Steiß.
Ein Rabe fliegt, so schwarz und scharf, Wie ihn kein Maler malen darf, Wenn er's nicht etwa kann. Ich stapse einsam durch den Schnee. Vielleicht steht links im Busch ein Reh Und denkt: Dort geht ein Mann.
Winterflug 1929
Merkwürdig: Durch meine Lebenszeit War ich wie gegen Tod gefeit. Weiß heute wohl, warum. Als ich noch nicht es wußte, war Gott immer bei mir in Gefahr, Weil ich nicht – – eben darum.
Unter mir: Tausend Bäume stehen, Kahlfressen wie von Ratten, Und werfen auf den Schnee, die Schneen Gleichviel blauzarte Schatten.
Wenn man vom Flugzeug niederblickt Auf so verschneite Welt, Dann glaubt man nicht mehr an Durchlaucht.
Ich hätte gar zu gern geraucht Und einen Meukow mir bestellt Und eine Frau vor mir gezwickt.
Leben wie Karneval
Jeder summt sein Sümmchen Oder brummt sein Brümmchen Wie ein Bär oder wie ein Bienchen, Wenn er ganz in sich Hindöst. – Aber öffentlich Zieht dann jeder, jede, Jedes sein Mienchen. – – –
(Fällt mir plötzlich ein Gerede Ein, eines Arztes mit schizophrenen Fraun. Hielt der Arzt sie heimlich lieb am Zügel. Sagte eine: »Hängen Sie meinen Linken Lungenflügel An den Gartenzaun!«)
Jedes flucht sein Flüchlein, Wenn's nicht ging, wie's ihmnach gehen soll. Manches weint ein Tüchlein Oder scheißt ein Höslein voll.
Das störend niedrige Geschmeiß Ist schwierig zu erreichen. Es bleibt Gesetz: Die Schnake weiß Dem Kuhschwanz auszuweichen.
Faschingsvollmond
Ein Freund, ein Dieb aus der Nähe von Metz, Wollte mich betrunken machen. Es gelang ihm durch dauerndes Anstoßen. Wir stolperten über ein Polizeigesetz, Lagen dann in zwei stecknadelgroßen Blutlachen.
»Warum willst du mich denn betrunken machen?« Frug ich. – »Um Dich zu berauben!« – Diesem Freunde konnte ich glauben; Er küßte mir oft die Hände, in Wien. – Nun lag er mit rührend blutender Nase Mitten in der Theresienstraße Neben mir. Wo uns der Vollmond beschien.
Wir wollten einander aufraffen, Aber Der Mann im Monde trat Eben in den Hof seines Mondes Und signalisierte uns: Lohnt es Sich, einen Hofhund hier anzuschaffen? Oder empfehlen Sie Stacheldraht?
Ein Schutzmann kam und nahm eins von uns beiden. Ich ließ meinem Freunde zur Aufbewahrung Die Brieftasche. Aber nicht nur das Scheiden, Auch andres tut weh. Zum Beispiel Erfahrung. Ich kann die Gegend um Metz nicht leiden.
Entschuldigungsbrief
Mein lieber S., Als ich am andern Tag Erwachte, wußte ich nicht mehr Genaues. Ich hab ein rotes Auge, Ruth ein blaues. Wie sich das zugetragen haben mag!!
In meinem Anzug klebt ein Pfund Spinat. Wie kam das nur? Ich weiß nur noch, daß Deine Frau oder Oskars in den Spiegel trat. Doch wer goß Hermann Suppe auf die Beine?
Ich gebe zu, daß ich den Anlaß gab. Ich war besoffen wie noch nie seit Wochen. Verzeiht mir, was ich ge-, zer- und verbrochen Und daß ich Fips mit Wachs beträufelt hab.
Nun sind wir alle plötzlich jäh entzweit Und waren Freunde, die nie beßre finden. Man sollte bei solch reicher Festlichkeit Lieber mehr essen und sich überwinden.
Wie war die Bowle gut und der Fasan! Vorbei. – Am liebsten würd ich mich erhängen. – Verdammt nicht ganz den, der das Porzellan Euch gern ersetzen will. Ohne sich aufzudrängen.
Preisaufgaben
Das Es ki mo no to ne Besteht aus fünfmal Wort. Und eine Kaffeebohne Treibt niemals Pferdesport.
Man soll nicht Pferde reizen. Ein Pferd ist keine Kuh. Wenn Aale Beine spreizen, Sieht niemals jemand zu.
Je mand ar in der brüs te, Recht sauber eingehüllt, Erregen oft Gelüste, Die manches gern erfüllt.
Man ches ter ho sen il es –, Geht vieles stumpf einher. Quatsch gibt den Dummen vieles, Gibt Klugen manchmal mehr.
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