|
Des Mädchens Klage
Der Eichwald brauset, Die Wolken ziehn, Das Mägdlein sitzet An Ufers Grün, Es bricht sich die Welle mit Macht, mit Macht, Und sie seufzt hinaus in die finstre Nacht, Das Auge vom Weinen getrübet.
"Das Herz ist gestorben, Die Welt ist leer, Und weiter gibt sie Dem Wunsche nichts mehr. Du Heilige, rufe dein Kind zurück, Ich habe genossen das irdische Glück, Ich habe gelebt und geliebet!"
Es rinnet der Tränen Vergeblicher Lauf, Die Klage, sie wecket Die Toten nicht auf, Doch nenne, was tröstet und heilet die Brust Nach der süßen Liebe verschwundener Lust, Ich, die himmlische, wills nicht versagen.
"Laß rinnen der Tränen vergeblichen Lauf, Es wecke die Klage Den Toten nicht auf, Das süßeste Glück für die traurende Brust, Nach der schönen Liebe verschwundener Lust, Sind der Liebe Schmerzen und Klagen."
Spruch des Konfuzius
Dreifach ist des Raumes Maß: Rastlos fort ohn Unterlaß Strebt die Länge, fort ins Weite Endlos gießet sich die Breite, Grundlos senkt die Tiefe sich.
Dir ein Bild sind sie gegeben: Rastlos vorwärts mußt du streben, Nie ermüdet stille stehn, Willst du die Vollendung sehn; Mußt ins Breite dich entfalten, Soll sich dir die Welt gestalten; In die Tiefe mußt du steigen, Soll sich dir das Wesen zeigen. Nur Beharrung führt zum Ziel, Nur die Fülle führt zur Klarheit, Und im Abgrund wohnt die Wahrheit.
Die Erwartung
Hör ich das Pförtchen nicht gehen? Hat nicht der Riegel geklirrt? Nein, es war des Windes Wehen, Der durch diese Pappeln schwirrt.
O schmücke dich, du grün belaubtes Dach, Du sollst die Anmutstrahlende empfangen, Ihr Zweige, baut ein schattendes Gemach, Mit holder Nacht sie heimlich zu umfangen, Und all ihr Schmeichellüfte, werdet wach Und scherzt und spielt um ihre Rosenwangen, Wenn seine schöne Bürde, leicht bewegt, Der zarte Fuß zum Sitz der Liebe trägt.
Stille, was schlüpft durch die Hecken Raschelnd mit eilendem Lauf? Nein, es scheuchte nur der Schrecken Aus dem Busch den Vogel auf.
O! lösche deine Fackel, Tag! Hervor, Du geistge Nacht, mit deinem holden Schweigen, Breit um uns her den purpurroten Flor, Umspinn uns mit geheimnisvollen Zweigen, Der Liebe Wonne flieht des Lauschers Ohr, Sie flieht des Strahles unbescheidnen Zeugen! Nur Hesper, der verschwiegene, allein Darf still herblickend ihr Vertrauter sein.
Rief es von ferne nicht leise, Flüsternden Stimmen gleich? Nein, der Schwan ists, der die Kreise Ziehet durch den Silberteich.
Mein Ohr umtönt ein Harmonienfluß, Der Springquell fällt mit angenehmem Rauschen, Die Blume neigt sich bei des Westes Kuß, Und alle Wesen seh ich Wonne tauschen, Die Traube winkt, die Pfirsche zum Genuß, Die üppig schwellend hinter Blättern lauschen, Die Luft, getaucht in der Gewürze Flut, Trinkt von der heißen Wange mir die Glut.
Hör ich nicht Tritte erschallen? Rauschts nicht den Laubgang daher? Nein, die Frucht ist dort gefallen, Von der eignen Fülle schwer.
Des Tages Flammenauge selber bricht In süßem Tod und seine Farben blassen, Kühn öffnen sich im holden Dämmerlicht Die Kelche schon, die seine Gluten hassen, Still hebt der Mond sein strahlend Angesicht, Die Welt zerschmilzt in ruhig große Massen, Der Gürtel ist von jedem Reiz gelöst, Und alles Schöne zeigt sich mir entblößt.
Seh ich nichts Weißes dort schimmern? Glänzts nicht wie seidnes Gewand? Nein, es ist der Säule Flimmern An der dunkeln Taxuswand.
O! sehnend Herz, ergötze dich nicht mehr, Mit süßen Bildern wesenlos zu spielen, Der Arm, der sie umfassen will, ist leer, Kein Schattenglück kann diesen Busen kühlen; O! führe mir die Lebende daher, Laß ihre Hand, die zärtliche, mich fühlen, Den Schatten nur von ihres Mantels Saum, Und in das Leben tritt der hohle Traum.
Und leis, wie aus himmlischen Höhen Die Stunde des Glückes erscheint, So war sie genaht, ungesehen, Und weckte mit Küssen den Freund.
Das Lied von der Glocke
Vivos voco Mortuos plango Fulgura frango
Fest gemauert in der Erden Steht die Form, aus Lehm gebrannt. Heute muß die Glocke werden, Frisch, Gesellen, seid zur Hand. Von der Stirne heiß Rinnen muß der Schweiß, Soll das Werk den Meister loben, Doch der Segen kommt von oben.
Zum Werke, das wir ernst bereiten, Geziemt sich wohl ein ernstes Wort; Wenn gute Reden sie begleiten, Dann fließt die Arbeit munter fort. So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten, Was durch die schwache Kraft entspringt, Den schlechten Mann muß man verachten, Der nie bedacht, was er vollbringt. Das ists ja, was den Menschen zieret, Und dazu ward ihm der Verstand, Daß er im innern Herzen spüret, Was er erschafft mit seiner Hand.
Nehmet Holz vom Fichtenstamme, Doch recht trocken laßt es sein, Daß die eingepreßte Flamme Schlage zu dem Schwalch hinein. Kocht des Kupfers Brei, Schnell das Zinn herbei, Daß die zähe Glockenspeise Fließe nach der rechten Weise.
Was in des Dammes tiefer Grobe Die Hand mit Feuers Hülfe baut, Hoch auf des Turmes Glockenstube Da wird es von uns zeugen laut. Noch dauern wirds in späten Tagen Und rühren vieler Menschen Ohr Und wird mit dem Betrübten klagen Und stimmen zu der Andacht Chor. Was unten tief dem Erdensohne Das wechselnde Verhängnis bringt, Das schlägt an die metallne Krone, Die es erbaulich weiterklingt
Weiße Blasen seh ich springen, Wohl! die Massen sind im Fluß. Laßts mit Aschensalz durchdringen, Das befördert schnell den Guß. Auch von Schaume rein Muß die Mischung sein, Daß vom reinlichen Metalle Rein und voll die Stimme schalle.
Denn mit der Freude Feierklange Begrüßt sie das geliebte Kind Auf seines Lebens erstem Gange Den es in Schlafes Arm beginnt; Ihm ruhen noch im Zeitenschoße Die schwarzen und die heitern Lose, Der Mutterliebe zarte Sorgen Bewachen seinen goldnen Morgen. Die Jahre fliehen pfeilgeschwind. Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe, Er stürmt ins Leben wild hinaus, Durchmißt die Welt am Wanderstabe Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus, Und herrlich, in der Jugend Prangen, Wie ein Gebild aus Himmelshöhn, Mit züchtigen, verschämten Wangen Sieht er die Jungfrau vor sich stehn. Da faßt ein namenloses Sehnen Des Jünglings Herz, er irrt allein, Aus seinen Augen brechen Tränen, Er flieht der Brüder wilden Reihn.
Errötend folgt er ihren Spüren Und ist von ihrem Grüß beglückt, Das Schönste sucht er auf den Fluren, Womit er seine Liebe schmückt. O! zarte Sehnsucht, süßes Hoffen, Der ersten Liebe goldne Zeit, Das Auge sieht den Himmel offen, Es schwelgt das Herz in Seligkeit. O! daß sie ewig grünen bliebe, Die schöne Zeit der jungen Liebe!
Wie sich schon die Pfeifen bräunen! Dieses Stäbchen tauch ich ein, Sehn wirs überglast erscheinen, Wirds zum Gusse zeitig sein. Jetzt, Gesellen, frisch! Prüft mir das Gemisch, Ob das Spröde mit dem Weichen Sich vereint zum guten Zeichen.
Denn wo das Strenge mit dem Zarten, Wo Starkes sich und Mildes paarten, Da gibt es einen guten Klang. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, Ob sich das Herz zum Herzen findet! Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang. Lieblich in der Bräute Locken Spielt der jungfräuliche Kranz, Wenn die hellen Kirchenglocken Laden zu des Festes Glanz. Ach! des Lebens schönste Feier Endigt auch den Lebensmai, Mit dem Gürtel, mit dem Schleier Reißt der schöne Wahn entzwei. Die Leidenschaft flieht! Die Liebe muß bleiben, Die Blume verblüht, Die Frucht muß treiben. Der Mann muß hinaus Ins feindliche Leben, Muß wirken und streben Und pflanzen und schaffen, Erlisten, erraffen, Muß wetten und wagen, Das Glück zu erjagen. Da strömet herbei die unendliche Gabe, Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe, Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus. Und drinnen waltet Die züchtige Hausfrau, Die Mutter der Kinder, Und herrschet weise Im häuslichen Kreise, Und lehret die Mädchen Und wehret den Knaben, Und reget ohn Ende Die fleißigen Hände, Und mehrt den Gewinn Mit ordnendem Sinn. Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden, Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden, Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein Die schimmernde Wolle, den schneeigten Lein, Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer, Und ruhet nimmer.
Und der Vater mit frohem Blick Von des Hauses weitschauendem Giebel Überzählet sein blühend Glück, Siehet der Pfosten ragende Bäume Und der Scheunen gefüllte Räume Und die Speicher, vom Segen gebogen, Und des Kornes bewegte Wogen, Rühmt sich mit stolzem Mund: Fest, wie der Erde Grund, Gegen des Unglücks Macht Steht mir des Hauses Pracht! Doch mit des Geschickes Mächten Ist kein ewger Bund zu flechten, Und das Unglück schreitet schnell.
Wohl! Nun kann der Guß beginnen, Schön gezacket ist der Bruch. Doch, bevor wirs lassen rinnen, Betet einen frommen Spruch! Stoßt den Zapfen aus! Gott bewahr das Haus. Rauchend in des Henkels Bogen Schießts mit feuerbraunen Wogen.
Wohltätig ist des Feuers Macht, Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht, Und was er bildet, was er schafft, Das dankt er dieser Himmelskraft, Doch furchtbar wird die Himmelskraft, Wenn sie der Fessel sich entrafft, Einhertritt auf der eignen Spur Die freie Tochter der Natur. Wehe, wenn sie losgelassen Wachsend ohne Widerstand Durch die volkbelebten Gassen Wälzt den ungeheuren Brand! Denn die Elemente hassen Das Gebild der Menschenhand. Aus der Wolke Quillt der Segen, Strömt der Regen, Aus der Wolke, ohne Wahl, Zuckt der Strahl! Hört ihrs wimmern hoch vom Turm? Das ist Sturm! Rot wie Blut Ist der Himmel, Das ist nicht des Tages Glut! Welch Getümmel Straßen auf! Dampf wallt auf! Flackernd steigt die Feuersäule, Durch der Straße lange Zeile Wächst es fort mit Windeseile, Kochend wie aus Ofens Rachen Glühn die Lüfte, Balken krachen, Pfosten stürzen, Fenster klirren, Kinder jammern, Mütter irren, Tiere wimmern Unter Trümmern, Alles rennet, rettet, flüchtet, Taghell ist die Nacht gelichtet, Durch der Hände lange Kette Um die Wette Fliegt der Eimer, hoch im Bogen Sprützen Quellen, Wasserwogen. Heulend kommt der Sturm geflogen, Der die Flamme brausend sucht. Prasselnd in die dürre Frucht Fällt sie, in des Speichers Räume, In der Sparren dürre Bäume, Und als wollte sie im Wehen Mit sich fort der Erde Wucht Reißen, in gewaltger Flucht, Wächst sie in des Himmels Höhen Rießengroß! Hoffnungslos Weicht der Mensch der Götterstärke, Müßig sieht er seine Werke Und bewundernd untergehen.
Leergebrannt Ist die Stätte, Wilder Stürme rauhes Bette, In den öden Fensterhöhlen Wohnt das Grauen, Und des Himmels Wolken schauen Hoch hinein.
Einen Blick Nach dem Grabe Seiner Habe Sendet noch der Mensch zurück - Greift fröhlich dann zum Wanderstabe, Was Feuers Wut ihm auch geraubt, Ein süßer Trost ist ihm geblieben, Er zählt die Häupter seiner Lieben, Und sieh! ihm fehlt kein teures Haupt.
In die Erd ists aufgenommen, Glücklich ist die Form gefüllt, Wirds auch schön zutage kommen, Daß es Fleiß und Kunst vergilt? Wenn der Guß mißlang? Wenn die Form zersprang? Ach! vielleicht, indem wir hoffen, Hat uns Unheil schon getroffen.
Dem dunkeln Schoß der heilgen Erde Vertrauen wir der Hände Tat, Vertraut der Sämann seine Saat Und hofft, daß sie entkeimen werde Zum Segen, nach des Himmels Rat. Noch köstlicheren Samen bergen Wir traurend in der Erde Schoß Und hoffen, daß er aus den Särgen Erblühen soll zu schönerm Los.
Von dem Dome, Schwer und bang, Tönt die Glocke Grabgesang. Ernst begleiten ihre Trauerschläge Einen Wandrer auf dem letzten Wege.
Ach! die Gattin ists, die teure, Ach! es ist die treue Mutter, Die der schwarze Fürst der Schatten Wegführt aus dem Arm des Gatten, Aus der zarten Kinder Schar, Die sie blühend ihm gebar, Die sie an der treuen Brust Wachsen sah mit Mutterlust - Ach! des Hauses zarte Bande Sind gelöst auf immerdar, Denn sie wohnt im Schattenlande, Die des Hauses Mutter war, Denn es fehlt ihr treues Walten, Ihre Sorge wacht nicht mehr, An verwaister Stätte schalten Wird die Fremde, liebeleer.
Bis die Glocke sich verkühlet, Laßt die strenge Arbeit ruhn, Wie im Laub der Vogel spielet, Mag sich jeder gütlich tun. Winkt der Sterne Licht Ledig aller Pflicht Hört der Pursch die Vesper schlagen, Meister muß sich immer plagen.
Munter fördert seine Schritte Fern im wilden Forst der Wandrer Nach der lieben Heimathütte. Blökend ziehen Heim die Schafe, Und der Rinder Breitgestirnte, glatte Scharen Kommen brüllend, Die gewohnten Ställe füllend. Schwer herein Schwankt der Wagen, Kornbeladen, Bunt von Farben Auf den Garben Liegt der Kranz, Und das junge Volk der Schnitter Fliegt zum Tanz. Markt und Straße werden stiller, Um des Lichts gesellge Flamme Sammeln sich die Hausbewohner, Und das Stadttor schließt sich knarrend. Schwarz bedecket Sich die Erde, Doch den sichern Bürger schrecket Nicht die Nacht, Die den Bösen gräßlich wecket, Denn das Auge des Gesetzes wacht.
Heilge Ordnung, segenreiche Himmelstochter, die das Gleiche Frei und leicht und freudig bindet, Die der Städte Bau gegründet, Die herein von den Gefilden Rief den ungesellgen Wilden, Eintrat in der Menschen Hütten, Sie gewöhnt zu sanften Sitten Und das teuerste der Bande Wob, den Trieb zum Vaterlande!
Tausend fleißge Hände regen, Helfen sich in munterm Bund, Und in feurigem Bewegen Werden alle Kräfte kund. Meister rührt sich und Geselle In der Freiheit heilgem Schutz. Jeder freut sich seiner Stelle, Bietet dem Verächter Trutz. Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis, Ehrt den König seine Würde, Ehret uns der Hände Fleiß.
Holder Friede, Süße Eintracht, Weilet, weilet Freundlich über dieser Stadt! Möge nie der Tag erscheinen, Wo des rauhen Krieges Horden Dieses stille Tal durchtoben, Wo der Himmel, Den des Abends sanfte Röte Lieblich malt, Von der Dörfer, von der Städte Wildem Brande schrecklich strahlt!
Nun zerbrecht mir das Gebäude, Seine Absicht hats erfüllt, Daß sich Herz und Auge weide An dem wohlgelungnen Bild. Schwingt den Hammer, schwingt, Bis der Mantel springt, Wenn die Glock soll auferstehen, Muß die Form in Stücken gehen.
Der Meister kann die Form zerbrechen Mit weiser Hand, zur rechten Zeit, Doch wehe, wenn in Flammenbächen Das glühnde Erz sich selbst befreit! Blindwütend mit des Donners Krachen Zersprengt es das geborstne Haus, Und wie aus offnem Höllenrachen Speit es Verderben zündend aus; Wo rohe Kräfte sinnlos walten, Da kann sich kein Gebild gestalten, Wenn sich die Völker selbst befrein, Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.
Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte Der Feuerzunder still gehäuft, Das Volk, zerreißend seine Kette, Zur Eigenhilfe schrecklich greift! Da zerret an der Glocke Strängen Der Aufruhr, daß sie heulend schallt Und, nur geweiht zu Friedensklängen, Die Losung anstimmt zur Gewalt.
Freiheit und Gleichheit! hört man schallen, Der ruhge Bürger greift zur Wehr, Die Straßen füllen sich, die Hallen, Und Würgerbanden ziehn umher, Da werden Weiber zu Hyänen Und treiben mit Entsetzen Scherz, Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen, Zerreißen sie des Feindes Herz. Nichts Heiliges ist mehr, es lösen Sich alle Bande frommer Scheu, Der Gute räumt den Platz dem Bösen, Und alle Laster walten frei. Gefährlich ists, den Leu zu wecken, Verderblich ist des Tigers Zahn, Jedoch der schrecklichste der Schrecken, Das ist der Mensch in seinem Wahn. Weh denen, die dem Ewigblinden Des Lichtes Himmelsfackel leihn! Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden Und äschert Städt und Länder ein.
Freude hat mir Gott gegeben! Sehet! wie ein goldner Stern Aus der Hülse, blank und eben, Schält sich der metallne Kern. Von dem Helm zum Kranz Spielts wie Sonnenglanz, Auch des Wappens nette Schilder Loben den erfahrnen Bilder.
Herein! herein! Gesellen alle, schließt den Reihen, Daß wir die Glocke taufend weihen, Concordia soll ihr Name sein, Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine Versammle sie die liebende Gemeine.
Und dies sei fortan ihr Beruf, Wozu der Meister sie erschuf! Hoch überm niedern Erdenleben Soll sie in blauem Himmelszelt Die Nachbarin des Donners schweben Und grenzen an die Sternenwelt, Soll eine Stimme sein von oben, Wie der Gestirne helle Schar, Die ihren Schöpfer wandelnd loben Und führen das bekränzte Jahr. Nur ewigen und ernsten Dingen Sei ihr metallner Mund geweiht, Und stündlich mit den schnellen Schwingen Berühr im Fluge sie die Zeit, Dem Schicksal leihe sie die Zunge, Selbst herzlos, ohne Mitgefühl, Begleite sie mit ihrem Schwunge Des Lebens wechselvolles Spiel. Und wie der Klang im Ohr vergehet, Der mächtig tönend ihr entschallt, So lehre sie, daß nichts bestehet, Das alles Irdische verhallt.
Jetzo mit der Kraft des Stranges Wiegt die Glock mir aus der Gruft, Daß sie in das Reich des Klanges Steige, in die Himmelsluft. Ziehet, ziehet, hebt! Sie bewegt sich, schwebt, Freude dieser Stadt bedeute, Friede sei ihr erst Geläute.
An Goethe
als er den ›Mahomet‹ von Voltaire auf die Bühne brachte
Du selbst, der uns von falschem Regelzwange Zu Wahrheit und Natur zurückgeführt, Der, in der Wiege schon ein Held, die Schlange Erstickt, die unsern Genius umschnürt, Du, den die Kunst, die göttliche, schon lange Mit ihrer reinen Priesterbinde ziert, Du opferst auf zertrümmerten Altären Der Aftermuse, die wir nicht mehr ehren?
Einheimscher Kunst ist dieser Schauplatz eigen, Hier wird nicht fremden Götzen mehr gedient, Wir können mutig einen Lorbeer zeigen, Der auf dem deutschen Pindus selbst gegrünt. Selbst in der Künste Heiligtum zu steigen, Hat sich der deutsche Genius erkühnt, Und auf der Spur des Griechen und des Briten Ist er dem bessern Ruhme nachgeschritten.
Denn dort, wo Sklaven knien, Despoten walten, Wo sich die eitle Aftergröße bläht, Da kann die Kunst das Edle nicht gestalten, Von keinem Ludwig wird es ausgesät, Aus eigner Fülle muß es sich entfalten, Es borget nicht von irdscher Majestät, Nur mit der Wahrheit wird es sich vermählen, Und seine Glut durchflammt nur freie Seelen.
Drum nicht, in alte Fesseln uns zu schlagen, Erneuerst du dies Spiel der alten Zeit, Nicht, uns zurückzuführen zu den lagen Charakterloser Minderjährigkeit. Es wär ein eitel und vergeblich Wagen, Zu fallen ins bewegte Rad der Zeit, Geflügelt fort entführen es die Stunden, Das Neue kommt, das Alte ist verschwunden.
Erweitert jetzt ist des Theaters Enge, In seinem Raume drängt sich eine Welt, Nicht mehr der Worte rechnerisch Gepränge, Nur der Natur getreues Bild gefällt, Verbannet ist der Sitten falsche Strenge, Und menschlich handelt, menschlich fühlt der Held, Die Leidenschaft erhebt die freien Töne, Und in der Wahrheit findet man das Schöne.
Doch leicht gezimmert nur ist Thespis' Wagen, Und er ist gleich dem acherontschen Kahn, Nur Schatten und Idole kann er tragen, Und drängt das rohe Leben sich heran, So droht das leichte Fahrzeug umzuschlagen, Das nur die flüchtgen Geister fassen kann. Der Schein soll nie die Wirklichkeit erreichen, Und siegt Natur, so muß die Kunst entweichen.
Denn auf dem bretternen Gerüst der Szene Wird eine Idealwelt aufgetan, Nichts sei hier wahr und wirklich als die Träne, Die Rührung ruht auf keinem Sinnenwahn, Aufrichtig ist die wahre Melpomene, Sie kündigt nichts als eine Fabel an Und weiß durch tiefe Wahrheit zu entzücken, Die falsche stellt sich wahr, um zu berücken.
Es droht die Kunst vom Schauplatz zu verschwinden, Ihr wildes Reich behauptet Phantasie, Die Bühne will sie wie die Welt entzünden, Das Niedrigste und Höchste menget sie. Nur bei dem Franken war noch Kunst zu finden, Erschwang er gleich ihr hohes Urbild nie, Gebannt in unveränderlichen Schranken Hält er sie fest, und nimmer darf sie wanken.
Ein heiliger Bezirk ist ihm die Szene, Verbannt aus ihrem festlichen Gebiet Sind der Natur nachlässig rohe Töne, Die Sprache selbst erhebt sich ihm zum Lied, Es ist ein Reich des Wohllauts und der Schöne, In edler Ordnung greifet Glied in Glied, Zum ernsten Tempel füget sich das Ganze, Und die Bewegung borget Reiz vom Tanze.
Nicht Muster zwar darf uns der Franke werden, Aus seiner Kunst spricht kein lebendger Geist, Des falschen Anstands prunkende Gebärden Verschmäht der Sinn, der nur das Wahre preist, Ein Führer nur zum Bessern soll er werden, Er komme wie ein abgeschiedner Geist, Zu reinigen die oft entweihte Szene Zum würdgen Sitz der alten Melpomene.
Die Götter Griechenlands
[1793-1800]
Da ihr noch die schöne Welt regieret, An der Freude leichtem Gängelband Selige Geschlechter noch geführet, Schöne Wesen aus dem Fabelland! Ach, da euer Wonnedienst noch glänzte, Wie ganz anders, anders war es da! Da man deine Tempel noch bekränzte, Venus Amathusia!
Da der Dichtung zauberische Hülle Sich noch lieblich um die Wahrheit wand - Durch die Schöpfung floß da Lebensfülle, Und was nie empfinden wird, empfand. An der Liebe Busen sie zu drücken, Gab man höhern Adel der Natur, Alles wies den eingeweihten Blicken, Alles eines Gottes Spur.
Wo jetzt nur, wie unsre Weisen sagen, Seelenlos ein Feuerball sich dreht, Lenkte damals seinen goldnen Wagen Helios in stiller Majestät. Diese Höhen füllten Oreaden, Eine Dryas lebt' in jenem Baum, Aus den Urnen lieblicher Najaden Sprang der Ströme Silberschaum.
Jener Lorbeer wand sich einst um Hilfe, Tantals Tochter schweigt in diesem Stein, Syrinx' Klage tönt' aus jenem Schilfe, Philomelas Schmerz aus diesem Hain. Jener Bach empfing Demeters Zähre, Die sie um Persephonen geweint, Und von diesem Hügel rief Cythere, Ach umsonst! dem schönen Freund.
Zu Deukalions Geschlechte stiegen Damals noch die Himmlischen herab, Pyrrhas schöne Töchter zu besiegen, Nahm der Leto Sohn den Hirtenstab. Zwischen Menschen, Göttern und Heroen Knüpfte Amor einen schönen Bund, Sterbliche mit Göttern und Heroen Huldigten in Amathunt.
Finstrer Ernst und trauriges Entsagen War aus eurem heitern Dienst verbannt, Glücklich sollten alle Herzen schlagen, Denn euch war der Glückliche verwandt. Damals war nichts heilig als das Schöne, Keiner Freude schämte sich der Gott, Wo die keusch errötende Kamöne, Wo die Grazie gebot.
Eure Tempel lachten gleich Palästen, Euch verherrlichte das Heldenspiel An des Isthmus kronenreichen Festen, Und die Wagen donnerten zum Ziel. Schön geschlungne seelenvolle Tänze Kreisten um den prangenden Altar, Eure Schläfe schmückten Siegeskränze, Kronen euer duftend Haar.
Das Evoë muntrer Thyrsusschwinger Und der Panther prächtiges Gespann Meldeten den großen Freudebringer, Faun und Satyr taumeln ihm voran, Um ihn springen rasende Mänaden, Ihre Tänze loben seinen Wein, Und des Wirtes braune Wangen laden Lustig zu dem Becher ein.
Damals trat kein gräßliches Gerippe Vor das Bett des Sterbenden. Ein Kuß Nahm das letzte Leben von der Lippe, Seine Fackel senkt' ein Genius. Selbst des Orkus strenge Richterwaage Hielt der Enkel einer Sterblichen, Und des Thrakers seelenvolle Klage Rührte die Erinnyen.
Seine Freuden traf der frohe Schatten In Elysiens Hainen wieder an, Treue Liebe fand den treuen Gatten Und der Wagenlenker seine Bahn, Linus' Spiel tönt die gewohnten Lieder, In Alcestens Arme sinkt Admet, Seinen Freund erkennt Orestes wieder, Seine Pfeile Philoktet.
Höhre Preise stärkten da den Ringer Auf der Tugend arbeitvoller Bahn, Großer Taten herrliche Vollbringer Klimmten zu den Seligen hinan. Vor dem Wiederfoderer der Toten Neigte sich der Götter stille Schar; Durch die Fluten leuchtet dem Piloten Vom Olymp das Zwillingspaar.
Schöne Welt, wo bist du? Kehre wieder, Holdes Blütenalter der Natur! Ach, nur in dem Feenland der Lieder Lebt noch deine fabelhafte Spur. Ausgestorben trauert das Gefilde, Keine Gottheit zeigt sich meinem Blick, Ach, von jenem lebenwarmen Bilde Blieb der Schatten nur zurück.
Alle jene Blüten sind gefallen Von des Nordes schauerlichem Wehn, Einen zu bereichern unter allen, Mußte diese Götterwelt vergehn. Traurig such ich an dem Sternenbogen, Dich, Selene, find ich dort nicht mehr, Durch die Wälder ruf ich, durch die Wogen, Ach, sie widerhallen leer!
Unbewußt der Freuden, die sie schenket, Nie entzückt von ihrer Herrlichkeit, Nie gewahr des Geistes, der sie lenket, Selger nie durch meine Seligkeit, Fühllos selbst für ihres Künstlers Ehre, Gleich dem toten Schlag der Pendeluhr, Dient sie knechtisch dem Gesetz der Schwere, Die entgötterte Natur.
Morgen wieder neu sich zu entbinden, Wühlt sie heute sich ihr eignes Grab, Und an ewig gleicher Spindel winden Sich von selbst die Monde auf und ab. Müßig kehrten zu dem Dichterlande Heim die Götter, unnütz einer Welt, Die, entwachsen ihrem Gängelbande, Sich durch eignes Schweben hält.
Ja, sie kehrten heim, und alles Schöne, Alles Hohe nahmen sie mit fort, Alle Farben, alle Lebenstöne, Und uns blieb nur das entseelte Wort. Aus der Zeitflut weggerissen, schweben Sie gerettet auf des Pindus Höhn, Was unsterblich im Gesang soll leben, Muß im Leben untergehn.
Die Worte des Wahns
Drei Worte hört man, bedeutungsschwer, Im Munde der Guten und Besten; Sie schallen vergeblich, ihr Klang ist leer, Sie können nicht helfen und trösten. Verscherzt ist dem Menschen des Lebens Frucht, Solang er die Schatten zu haschen sucht.
Solang er glaubt an die Goldene Zeit, Wo das Rechte, das Gute wird siegen, - Das Rechte, das Gute führt ewig Streit, Nie wird der Feind ihm erliegen, Und erstickst du ihn nicht in den Lüften frei, Stets wächst ihm die Kraft auf der Erde neu.
Solang er glaubt, daß das buhlende Glück Sich dem Edeln vereinigen werde - Dem Schlechten folgt es mit Liebesblick, Nicht dem Guten gehöret die Erde. Er ist ein Fremdling, er wandert aus Und suchet ein unvergänglich Haus.
Solang er glaubt, daß dem irdschen Verstand Die Wahrheit je wird erscheinen, Ihren Schleier hebt keine sterbliche Hand, Wir können nur raten und meinen. Du kerkerst den Geist in ein tönend Wort, Doch der freie wandelt im Sturme fort.
Drum, edle Seele, entreiß dich dem Wahn Und den himmlischen Glauben bewahre! Was kein Ohr vernahm, was die Augen nicht sahn, Es ist dennoch, das Schöne, das Wahre! Es ist nicht draußen, da sucht es der Tor, Es ist in dir, du bringst es ewig hervor.
Hektors Abschied
Andromache
Will sich Hektor ewig von mir wenden, Wo Achill mit den unnahbarn Händen Dem Patroklus schrecklich Opfer bringt? Wer wird künftig deinen Kleinen lehren Speere werfen und die Götter ehren, Wenn der finstre Orkus dich verschlingt?
Hektor
Teures Weib, gebiete deinen Tränen, Nach der Feldschlacht ist mein feurig Sehnen, Diese Arme schützen Pergamus. Kämpfend für den heilgen Herd der Götter Fall ich, und des Vaterlandes Retter Steig ich nieder zu dem stygschen Fluß.
Andromache
Nimmer lausch ich deiner Waffen Schalle, Müßig liegt dein Eisen in der Halle, Priams großer Heldenstamm verdirbt. Du wirst hingehn, wo kein Tag mehr scheinet, Der Cocytus durch die Wüsten weinet, Deine Liebe in dem Lethe stirbt.
Hektor
All mein Sehnen will ich, all mein Denken In des Lethe stillen Strom versenken, Aber meine Liebe nicht. Horch! der Wilde tobt schon an den Mauern, Gürte mir das Schwert um, laß das Trauern, Hektors Liebe stirbt im Lethe nicht.
Die drei Alter der Natur
Leben gab ihr die Fabel, die Schule hat sie entseelet, Schaffendes Leben aufs neu gibt die Vernunft ihr zurück.
Tonkunst
Leben atme die bildende Kunst, Geist fodr' ich vom Dichter, Aber die Seele spricht nur Polyhymnia aus.
Der Gürtel
In dem Gürtel bewahrt Aphrodite der Reize Geheimnis, Was ihr den Zauber verleiht, ist, was sie bindet, die Scham.
Nänie
Auch das Schöne muß sterben! Das Menschen und Götter bezwinget, Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus. Einmal nur erweichte die Liebe den Schattenbeherrscher, Und an der Schwelle noch, streng, rief er zurück sein Geschenk. Nicht stillt Aphrodite dem schönen Knaben die Wunde, Die in den zierlichen Leib grausam der Eber geritzt. Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter, Wann er, am skäischen Tor fallend, sein Schicksal erfüllt. Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus, Und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn. Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle, Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt. Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten, ist herrlich, Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab.
Hero und Leander
Seht ihr dort die altergrauen Schlösser sich entgegen schauen, Leuchtend in der Sonne Gold, Wo der Hellespont die Wellen Brausend durch der Dardanellen Hohe Felsenpforte rollt? Hört ihr jene Brandung stürmen, Die sich an den Felsen bricht? Asien riß sie von Europen, Doch die Liebe schreckt sie nicht.
Heros und Leanders Herzen Rührte mit dem Pfeil der Schmerzen Amors heilge Göttermacht. Hero, schön wie Hebe blühend, Er, durch die Gebirge ziehend Rüstig, im Geräusch der Jagd. Doch der Väter feindlich Zürnen Trennte das verbundne Paar, Und die süße Frucht der Liebe Hing am Abgrund der Gefahr.
Dort auf Sestos' Felsenturme, Den mit ewgem Wogensturme Schäumend schlägt der Hellespont, Saß die Jungfrau, einsam grauend, Nach Abydos' Küste schauend, Wo der Heißgeliebte wohnt. Ach, zu dem entfernten Strande Baut sich keiner Brücke Steg, Und kein Fahrzeug stößt vom Ufer, Doch die Liebe fand den Weg.
Aus des Labyrinthes Pfaden Leitet sie mit sicherm Faden, Auch den Blöden macht sie klug, Beugt ins Joch die wilden Tiere, Spannt die feuersprühnden Stiere An den diamantnen Pflug. Selbst der Styx, der neunfach fließet, Schließt die wagende nicht aus, Mächtig raubt sie das Geliebte Aus des Pluto finsterm Haus.
Auch durch des Gewässers Fluten Mit der Sehnsucht feurgen Gluten Stachelt sie Leanders Mut. Wenn des Tages heller Schimmer Bleichet, stürzt der kühne Schwimmer In des Pontus finstre Flut, Teilt mit starkem Arm die Woge, Strebend nach dem teuren Strand, Wo auf hohem Söller leuchtend Winkt der Fackel heller Brand.
Und in weichen Liebesarmen Darf der Glückliche erwarmen Von der schwer bestandnen Fahrt, Und den Götterlohn empfangen, Den in seligem Umfangen Ihm die Liebe aufgespart, Bis den Säumenden Aurora Aus der Wonne Träumen weckt, Und ins kalte Bett des Meeres Aus dem Schoß der Liebe schreckt.
Und so flohen dreißig Sonnen Schnell, im Raub verstohlner Wonnen, Dem beglückten Paar dahin, Wie der Brautnacht süße Freuden, Die die Götter selbst beneiden, Ewig jung und ewig grün. Der hat nie das Glück gekostet, Der die Frucht des Himmels nicht Raubend an des Höllenflusses Schauervollem Rande bricht.
Hesper und Aurora zogen Wechselnd auf am Himmelsbogen, Doch die Glücklichen, sie sahn Nicht den Schmuck der Blätter fallen, Nicht aus Nords beeisten Hallen Den ergrimmten Winter nahn. Freudig sahen sie des Tages Immer kürzern, kürzern Kreis, Für das längre Glück der Nächte Dankten sie betört dem Zeus.
Und es gleichte schon die Waage An dem Himmel Nächt und Tage, Und die holde Jungfrau stand Harrend auf dem Felsenschlosse, Sah hinab die Sonnenrosse Fliehen an des Himmels Rand. Und das Meer lag still und eben, Einem reinen Spiegel gleich, Keines Windes leises Weben Regte das kristallne Reich.
Lustige Delphinenscharen Scherzten in dem silberklaren Reinen Element umher, Und in schwärzlicht grauen Zügen Aus dem Meergrund aufgestiegen Kam der Tethys buntes Heer. Sie, die einzigen, bezeugten Den verstohlnen Liebesbund, Aber ihnen schloß auf ewig Hekate den stummen Mund.
Und sie freute sich des schönen Meeres, und mit Schmeicheltönen Sprach sie zu dem Element: "Schöner Gott! du solltest trügen? Nein, den Frevler straf ich Lügen, Der dich falsch und treulos nennt. Falsch ist das Geschlecht der Menschen Grausam ist des Vaters Herz, Aber du bist mild und gütig, Und dich rührt der Liebe Schmerz.
In den öden Felsenmauern Müßt ich freudlos einsam trauern Und verblühn in ewgem Harm, Doch du trägst auf deinem Rücken Ohne Nachen, ohne Brücken, Mir den Freund in meinen Arm. Grauenvoll ist deine Tiefe, Furchtbar deiner Wogen Flut, Aber dich erfleht die Liebe, Dich bezwingt der Heldenmut.
Denn auch dich, den Gott der Wogen, Rührte Eros' mächtger Bogen, Als des goldnen Widders Flug Helle, mit dem Bruder fliehend, Schön in Jugendfülle blühend, Über deine Tiefe trug. Schnell von ihrem Reiz besieget Griffst du aus dem finstern Schlund, Zogst sie von des Widders Rücken Nieder in den Meeresgrund.
Eine Göttin mit dem Gotte, In der tiefen Wassergrotte Lebt sie jetzt unsterblich fort, Hilfreich der verfolgten Liebe Zähmt sie deine wilden Triebe, Führt den Schiffer in den Port. Schöne Helle! Holde Göttin! Selige, dich fleh ich an: Bring auch heute den Geliebten Mir auf der gewohnten Bahn."
Und schon dunkelten die Fluten, Und sie ließ der Fackel Gluten Von dem hohen Söller wehn. Leitend in den öden Reichen Sollte das vertraute Zeichen Der geliebte Wandrer sehn. Und es saust und dröhnt von ferne, Finster kräuselt sich das Meer, Und es löscht das Licht der Sterne, Und es naht gewitterschwer.
Auf des Pontus weite Fläche Legt sich Nacht, und Wetterbäche Stürzen aus der Wolken Schoß, Blitze zucken in den Lüften, Und aus ihren Felsengrüften Werden alle Stürme los, Wühlen ungeheure Schlünde In den weiten Wasserschlund, Gähnend wie ein Höllenrachen Öffnet sich des Meeres Grund.
"Wehe! Weh mir!" ruft die Arme Jammernd, "Großer Zeus, erbarme! Ach! Was wagt' ich zu erflehn! Wenn die Götter mich erhören, Wenn er sich den falschen Meeren Preisgab in des Sturmes Wehn! Alle meergewohnten Vögel Ziehen heim in eilger Flocht, Alle sturmerprobten Schiffe Bergen sich in sichrer Bucht.
Ach gewiß, der Unverzagte Unternahm das oft Gewagte, Denn ihn trieb ein mächtger Gott. Er gelobte mirs beim Scheiden Mit der Liebe heilgen Eiden, Ihn entbindet nur der Tod. Ach! in diesem Augenblicke Ringt er mit des Sturmes Wut, Und hinab in ihre Schlünde Reißt ihn die empörte Flut.
Falscher Pontus, deine Stille War nur des Verrates Hülle, Einem Spiegel warst du gleich, Tückisch ruhten deine Wogen, Bis du ihn heraus betrogen In dein falsches Lügenreich. Jetzt in deines Stromes Mitte, Da die Rückkehr sich verschloß, Lässest du auf den Verratnen Alle deine Schrecken los."
Und es wächst des Sturmes Toben, Hoch zu Bergen aufgehoben Schwillt das Meer, die Brandung bricht Schäumend sich am Fuß der Klippen, Selbst das Schiff mit Eichenrippen Nahte unzerschmettert nicht. Und im Wind erlischt die Fackel Die des Pfades Leuchte war, Schrecken bietet das Gewässer, Schrecken auch die Landung dar.
Und sie fleht zur Aphrodite, Daß sie dem Orkan gebiete, Sänftige der Wellen Zorn, Und gelobt, den strengen Winden Reiche Opfer anzuzünden, Einen Stier mit goldnem Horn. Alle Göttinnen der Tiefe, Alle Götter in der Höh Fleht sie, lindernd öl zu gießen In die sturmbewegte See.
"Höre meinen Ruf erschallen, Steig aus deinen grünen Hallen, Selige Leukothea! Die der Schiffer in dem öden Wellenreich, in Sturmesnöten Rettend oft erscheinen sah. Reich ihm deinen heilgen Schleier, Der, geheimnisvoll gewebt, Die ihn tragen, unverletzlich Aus dem Grab der Fluten hebt."
Und die wilden Winde schweigen, Hell an Himmels Rande steigen Eos' Pferde in die Höh. Friedlich in dem alten Bette Fließt das Meer in Spiegelsglätte, Heiter lächeln Luft und See. Sanfter brechen sich die Wellen An des Ufers Felsenwand, Und sie schwemmen, ruhig spielend, Einen Leichnam an den Strand.
Ja, er ists, der, auch entseelet, Seinem heilgen Schwur nicht fehlet! Schnellen Blicks erkennt sie ihn, Keine Klage läßt sie schallen, Keine Träne sieht man fallen, Kalt, verzweifelnd starrt sie hin. Trostlos in die öde Tiefe Blickt sie, in des Äthers Licht, Und ein edles Feuer rötet Das erbleichte Angesicht.
"Ich erkenn euch, ernste Mächte, Strenge treibt ihr eure Rechte, Furchtbar, unerbittlich ein. Früh schon ist mein Lauf beschlossen, Doch das Glück hab ich genossen, Und das schönste Los war mein. Lebend hab ich deinem Tempel Mich geweiht als Priesterin, Dir ein freudig Opfer sterb ich, Venus, große Königin!"
Und mit fliegendem Gewande Schwingt sie von des Turmes Rande In die Meerflut sich hinab. Hoch in seinen Flutenreichen Wälzt der Gott die heilgen Leichen, Und er selber ist ihr Grab. Und mit seinem Raub zufrieden Zieht er freudig fort und gießt Aus der unerschöpften Urne Seinen Strom, der ewig fließt.
|